Video: Rückenmark - Weiße Substanz
Du siehst gerade eine Vorschau. Werde Premium-Mitglied, um das ganze Video zu sehen: Die weiße Substanz besteht zum größten Teil aus myelinisierten Axonen. Lerne mehr in diesem Video von Kenhub über den Aufbau der weißen Substanz im Querschnitt.
Passende Lerneinheit
Passender Artikel
Transkript
Fühlst du dich manchmal so, als hättest du keine Kontrolle über dein Leben? Als würde jemand anders die Fäden für dich ziehen? So, als wärst du eine Marionette?
In gewisser Weise bist du das sogar, ...
Mehr lesenFühlst du dich manchmal so, als hättest du keine Kontrolle über dein Leben? Als würde jemand anders die Fäden für dich ziehen? So, als wärst du eine Marionette?
In gewisser Weise bist du das sogar, denn dein Körper funktioniert tatsächlich so ähnlich wie eine Marionette.
Damit du verstehst, was ich damit genau meine, stelle dir einmal Folgendes vor: Dein Gehirn übernimmt die Rolle des Puppenspielers. Es trifft jegliche Entscheidungen über jeden noch so kleinen Teil deines Körpers und bestimmt, was dieser macht.
Ähnlich wie bei einer Marionette wird der Körper von mehreren fadenförmigen Strukturen kontrolliert. Diese Fäden verlaufen dabei durch das Rückenmark, genauer gesagt durch die weiße Substanz des Rückenmarks. Man spricht auch von den Leitungsbahnen der weißen Substanz.
Gehen wir aber noch einmal kurz zurück zu unserer Analogie mit dem Puppenspieler. Wenn ein verrückter Theaterhasser mit einer Schere auf die Bühne stürmt und die Fäden der Marionette durchtrennt, dann kann der Puppenspieler die Arme und Beine, die an diesen Fäden hingen, nicht mehr bewegen.
Das Rückenmark funktioniert ganz ähnlich. Die Bewegungsabläufe sind dabei aber natürlich viel feiner und komplexer als bei einer Marionette.
Deswegen kann schon eine kleine Verletzung des Rückenmarks dafür sorgen, dass du einen Teil deines Körpers nicht mehr bewegen oder spüren kannst. Wie das Rückenmark genau aufgebaut ist, sieht man am besten im Querschnitt.
Und damit sind wir auch schon beim heutigen Thema angekommen: dem Aufbau des Rückenmarks. Dabei gehen wir heute vor allem auf die weiße Substanz des Rückenmarks ein.
Bevor wir anfangen, gebe ich dir noch eine kurze Übersicht über das, was wir uns in diesem Tutorial ansehen werden.
Wir werden mit einer kurzen Wiederholung der makroskopischen Anatomie des Rückenmarks beginnen. Hier gehen wir vor allem auf die Einteilung des Rückenmarks im Querschnitt ein. Anschließend kommen wir zum eigentlichen Thema dieses Tutorials: der weißen Substanz des Rückenmarks. Unser Fokus wird dabei vor allem auf ihrer anatomischen Unterteilung sowie auf den Leitungsbahnen der weißen Substanz liegen. Im Laufe des Tutorials werden wir außerdem über die verschiedenen Funktionen dieser Leitungsbahnen sprechen.
Danach sehen wir uns die unterschiedlichen Ausprägungen der weißen Substanz auf verschiedenen Ebenen des Rückenmarks an. Zum Schluss gibt es dann wie immer ein klinisches Fallbeispiel.
Starten wir also mit einer kurzen Wiederholung zur makroskopischen Anatomie des Rückenmarks.
Das Rückenmark ist eine röhrenförmige Struktur innerhalb des Wirbelkanals. Dieser Kanal erstreckt sich vom Foramen magnum bis zum 1. oder 2. Lendenwirbelkörper. Kranial bildet das Rückenmark die Verlängerung der Medulla oblongata des Hirnstamms. Das kaudale Ende des Rückenmarks wird als Conus medullaris bezeichnet. Von hier aus ziehen weitere Spinalnervenwurzeln als Geflecht nach kaudal und formen so die Cauda equina.
Das Rückenmark weist an zwei Stellen eine Verdickung auf – eine im Bereich der Halswirbelsäule und eine in der Lumbosakralregion. Man spricht auch von der Intumescentia cervicalis und der Intumescentia lumbosacralis.
Auf Höhe der einzelnen Spinalnervensegmente tritt bilateral je ein Paar Nervenwurzeln als sogenannte Fila radicularia aus dem Rückenmark aus. Die hintere und die vordere Nervenwurzel verbinden sich anschließend zum Spinalnerven. Insgesamt entstehen auf diese Weise 31 Spinalnervenpaare.
Sehen wir uns nun den Querschnitt des Rückenmarks genauer an.
Zur besseren Orientierung verschaffen wir uns zunächst einmal einen groben Überblick. Du siehst hier die anteriore und hier die posteriore Seite des Rückenmarks.
Anstelle dieser Bezeichnungen kannst du auch die Begriffe „ventral“ und „dorsal“ verwenden. Um keine Verwirrung zu stiften, bleibe ich in diesem Tutorial aber bei den Begriffen „anterior” und „posterior“.
Auch die Begriffe „ipsilateral” und „kontralateral” werden dir in diesem Tutorial mehrmals begegnen. Deshalb gibt es hier noch einmal eine schnelle Wiederholung: Ipsilateral bedeutet, dass sich etwas auf dieselbe Körperhälfte bezieht. Verläuft beispielsweise eine Leitungsbahn auf der ipsilateralen Seite, bedeutet das, dass diese Leitungsbahn nicht zur gegenüberliegenden Seite kreuzt, sondern auf derselben Seite verläuft. Mit dem Begriff ‚kontralateral‘ wird die entgegengesetzte Körperhälfte bezeichnet.
Das Erste, was einem beim Anblick des Rückenmarksquerschnitts ins Auge fällt, sind die unterschiedlich aussehenden Areale der grauen und der weißen Substanz. Die graue Substanz liegt in der Mitte und ist von der weißen Substanz umgeben. Die graue Substanz besitzt eine besondere Form, die dir sicher bereits aufgefallen ist: Sie ist schmetterlingsförmig.
Das Rückenmark bildet eine Verlängerung des Gehirns und besteht deshalb natürlich aus Neuronen, also Nervenzellen.
Die graue Substanz besteht vor allem aus deren Zellkörpern. Man findet dort aber trotzdem auch das ein oder andere myelinisierte und unmyelinisierte Axon.
Die weiße Substanz besteht größtenteils aus myelinisierten Axonen. In der Myelinscheide sind Lipide enthalten, die für die helle Farbe der weißen Substanz verantwortlich sind.
Natürlich findet man in der grauen und der weißen Substanz auch noch andere Bestandteile, wie zum Beispiel Stützzellen, die du auch als Gliazellen kennst. In diesem Tutorial werden wir uns hauptsächlich mit der weißen Substanz beschäftigen.
Falls du mehr über die graue Substanz erfahren möchtest, findest du ein Tutorial zu genau diesem Thema auf unserer Website.
Die weiße Substanz wird in verschiedene Regionen eingeteilt. Diese haben allerdings keine scharfen Begrenzungen. Zur Orientierung dienen stattdessen bestimmte anatomische Referenzpunkte im Querschnitt des Rückenmarks. Diese sehen wir uns jetzt genauer an.
Das Rückenmark ist sehr klar aufgeteilt in eine linke und eine rechte Hälfte. Getrennt werden diese vorne durch die Fissura mediana anterior und hinten durch das Septum medianum posterior.
Die kleine Einkerbung, die du an der Rückseite des Rückenmarks sehen kannst, ist der Sulcus medianus posterior. Eine ähnliche, jedoch etwas kleinere Rille findest du bilateral, genau dort, wo die hintere Nervenwurzel aus dem Rückenmark austritt. Es handelt sich dabei um den Sulcus posterolateralis.
Im Bereich der Halswirbelsäule liegt zwischen dem Sulcus medianus posterior und dem Sulcus posterolateralis eine zusätzliche Furche, der Sulcus intermedius posterior. Dieser trennt den Fasciculus gracilis vom Fasciculus cuneatus. Auf diese beiden Strukturen kommen wir später noch einmal zu sprechen.
Der Sulcus anterolateralis befindet sich lateral der Fissura mediana anterior. An dieser Stelle verlässt die Vorderwurzel das Rückenmark.
Die weiße Substanz der beiden Rückenmarkshälften steht über die Commissura alba anterior in Kontakt.
Posterior der Commissura alba anterior befindet sich die Commissura grisea, die die beiden Hälften der grauen Substanz verbindet.
Im Zentrum des Rückenmarks liegt der Canalis centralis – ein dünnes Rohr, das mit Liquor gefüllt ist und sich über die gesamte Länge des Rückenmarks erstreckt.
Es handelt sich dabei um die Verlängerung des vierten Ventrikels des Gehirns. Dadurch steht der Zentralkanal in ständigem Kontakt mit dem intrakraniellen ventrikulären System sowie den Zisternen.
Einige myelinisierte Nervenfasern kreuzen dorsal des Canalis centralis auf die kontralaterale Seite und bilden so die Commissura alba posterior.
Damit bist du nun bereit für das eigentliche Thema dieses Tutorials: die weiße Substanz des Rückenmarks.
Die weiße Substanz des Rückenmarks kann in unterschiedliche Areale eingeteilt werden. In jeder Rückenmarkshälfte gibt es drei Areale.
Zwischen der Fissura mediana anterior und dem Vorderhorn der grauen Substanz sowie dem Sulcus anterolateralis liegt der Funiculus anterior. Dieser wird auch als Vorderstrang bezeichnet.
Das Areal zwischen den Sulci anterolateralis und posterolateralis nennt man Funiculus lateralis beziehungsweise Seitenstrang.
Das dritte und letzte Areal ist der Funiculus posterior, der Hinterstrang. Dieser ist vom Sulcus posterolateralis, vom Hinterhorn der grauen Substanz und vom Septum medianum posterius umgeben.
Hier siehst du noch einmal alle Areale der weißen Substanz im Überblick.
Wie bereits besprochen, besteht die weiße Substanz vor allem aus myelinisierten Axonen. Diese bilden die Leitungsbahnen der weißen Substanz. In dieser Abbildung hier rechts ist der Verlauf eines kortikospinalen Traktes dargestellt. Bevor wir aber die einzelnen Leitungsbahnen im Detail besprechen, sehen wir uns erstmal an, was so eine Leitungsbahn eigentlich ist und wie sie funktioniert.
Wie du sehen kannst, verbinden Leitungsbahnen zwei Punkte miteinander. In diesem Fall handelt es sich um die Verbindung zwischen Gehirn und Rückenmark.
Bei genauerer Betrachtung erkennt man, dass ein Trakt nicht nur aus einem Axon, sondern aus einem Bündel von Axonen besteht. Diese Axone besitzen denselben Ursprung, denselben Verlauf und dasselbe Ziel.
Je nachdem, welche Funktionen die Bahnen der weißen Substanz besitzen, teilt man sie in aufsteigende und absteigende Bahnen ein.
Aufsteigende Bahnen bringen Informationen über das Rückenmark zum Gehirn. Bei diesen Informationen handelt es sich um Feedback aus dem Körper. Dazu gehören zum Beispiel Informationen zu Schmerz, Temperatur und Propriozeption.
Die zum Gehirn aufsteigenden Bahnen leiten demnach sensorische Informationen weiter.
Absteigende Bahnen hingegen haben die entgegengesetzte Aufgabe. Sie überbringen Informationen vom Gehirn zum Körper. Dabei handelt es sich um motorische Informationen, die dem Körper vermitteln, welche Bewegungen er durchführen soll. Erinnerst du dich noch an unsere Marionette vom Beginn des Tutorials? Ungefähr so funktionieren die absteigenden Bahnen.
Die Namen dieser Bahnen lassen sich einfach herleiten und sind deshalb gut zu merken. Sehen wir uns zum Beispiel den Tractus corticospinalis anterior an. Der erste Teil des Namens bezieht sich auf seinen Ursprung. Der nächste Abschnitt beschreibt sein Ziel. „Anterior” bezeichnet den Funiculus der weißen Substanz, in dem die Bahn verläuft. Die wichtigsten Informationen über eine Leitungsbahn sind also schon im Namen enthalten.
Jetzt, wo wir die wichtigsten Grundlagen besprochen haben, werden wir uns die absteigenden Bahnen im Detail ansehen.
Zu diesem Thema gibt es eine Menge zu besprechen. Aber keine Sorge, wir werden uns gemeinsam die wichtigsten Informationen dazu herausarbeiten.
Zunächst ist es wichtig zu verstehen, wie diese Bahnen aufgebaut sind. Die absteigenden Bahnen beinhalten in der Regel ein erstes und ein zweites Motoneuron. Die Zellkörper der oberen beziehungsweise der ersten Motoneurone liegen im Gehirn, während ihre Axone die Informationen ins Rückenmark weiterleiten.
Die unteren beziehungsweise die zweiten Motoneurone haben ihren Zellkörper in der grauen Substanz des Rückenmarks. Über ihre Axone werden motorische Informationen zur Skelettmuskulatur geleitet.
Die erste Leitungsbahn, die wir besprechen werden, habe ich vorhin bereits erwähnt: den Tractus corticospinalis. Da es sich dabei um einen absteigenden Trakt handelt, weißt du bereits, dass er motorische Informationen weiterleitet. Genauer gesagt, leitet dieser Trakt Informationen zu willkürlichen Bewegungen.
Die ersten Neurone dieses Traktes haben ihren Ursprung in den motorischen Zentren des zerebralen Kortex. Von dort verläuft er durch den gesamten Hirnstamm, also durch das Mesencephalon, den Pons und die Medulla oblongata. Ein Teil des Tractus corticospinalis endet dort in den motorischen Hirnnervenkernen. Diesen Teil nennt man Tractus corticonuclearis.
Der Tractus corticospinalis wird oft als Pyramidenbahn bezeichnet. Merke dir also, dass die Pyramidenbahn die Verbindung zwischen dem motorischen Kortex und dem Rückenmark bildet.
Im unteren Teil der Medulla oblongata kreuzen ungefähr 80 Prozent der Fasern zur kontralateralen Seite. Dieser Faserverlauf ist der Grund dafür, dass die linke Gehirnhemisphäre größtenteils die rechte Seite unseres Körpers kontrolliert, während die rechte Hemisphäre die linke Körperhälfte steuert. Die Stelle, an der die Fasern überkreuzen, nennt man Decussatio pyramidum. Du kannst sie hier in der vergrößerten Abbildung erkennen.
Von dort ziehen die Fasern weiter nach kaudal zum Funiculus lateralis des Rückenmarks. Dieser Faseranteil der Pyramidenbahn wird deshalb als Tractus corticospinalis lateralis bezeichnet.
Die Position dieser Leitungsbahn wird deutlicher, wenn wir uns das Rückenmark noch einmal im Querschnitt ansehen.
Der Tractus corticospinalis lateralis ist somatotopisch gegliedert. Das bedeutet, dass die Fasern im Rückenmark nach Körperregionen geordnet sind. Dabei liegen die Fasern des Oberkörpers medial und die des Unterkörpers eher lateral.
Gehen wir noch einmal zurück zur Medulla oblongata. Wie eben besprochen, kreuzen hier circa 80% der Fasern und bilden so den Tractus corticospinalis lateralis. Die restlichen Fasern, die hier nicht kreuzen, verlaufen nach kaudal im ipsilateralen Funiculus anterior des Rückenmarks.
Dementsprechend wird dieser Faseranteil der Pyramidenbahn Tractus corticospinalis anterior genannt. Hier siehst du diese Bahn wieder im Rückenmarksquerschnitt.
Der Tractus corticospinalis anterior bleibt jedoch nicht auf seiner ursprünglichen Seite, sondern kreuzt ebenfalls auf die Gegenseite. Dies geschieht allerdings erst auf Höhe des jeweiligen Zielsegments über die Commissura alba anterior.
Der Tractus corticospinalis anterior unterscheidet sich in seiner Funktion etwas vom lateralen Anteil der Pyramidenbahn. Er bildet nämlich nur Synapsen innerhalb der grauen Substanz der zervikalen und der oberen Thorakalregion. Somit werden auch nur diese Regionen vom Tractus corticospinalis anterior versorgt.
Dementsprechend dient dieser Trakt zur Steuerung der kontralateralen Rumpf- und Schultergürtelmuskulatur.
Weiter geht es mit den extrapyramidalen Bahnen.
Anders als die Pyramidenbahn entspringen diese nicht im motorischen Kortex, sondern in anderen Regionen des Gehirns. Von dort verlaufen sie aber ebenfalls zum Rückenmark.
In dieser Abbildung siehst du die erste extrapyramidale Bahn, die wir besprechen werden: den Tractus rubrospinalis. Sein Verlauf ist im Vergleich zum Tractus corticospinalis sehr einfach.
Er entspringt am roten Kern im oberen Teil des Mesencephalons. Dieser Kern wird auch „Nucleus ruber” genannt. Du kannst dir den Verlauf der Leitungsbahn also auch hier wieder anhand des Namens herleiten.
Der Tractus rubrospinalis kreuzt auf Höhe dieses Kerns, im Bereich der Decussatio tegmenti ventralis, auf die Gegenseite. Dabei durchläuft er den Pons und die Medulla oblongata. Anschließend zieht er nach kaudal durch den Fasciculus lateralis der weißen Substanz des Rückenmarks. Einige Fasern vermengen sich dabei mit den Fasern des Tractus corticospinalis.
Wie du hier in der Abbildung sehen kannst, befindet sich der Tractus rubrospinalis im Rückenmark anterior des Tractus corticospinalis lateralis. Die Axone dieser Leitungsbahn enden im Vorderhorn der grauen Substanz, wo sie Synapsen mit anderen Neuronen bilden. Man nimmt an, dass dieser Trakt die Aktivität der Flexoren fördert und die der Extensoren hemmt.
Eine weitere Leitungsbahn des extrapyramidalen Systems ist der Tractus tectospinalis.
Der Ursprung des Tractus tectospinalis befindet sich am Colliculus superior im Tectum des Mesencephalons.
Er kreuzt im oberen Bereich des Tegmentums und verläuft dann weiter nach kaudal durch den Pons und die Medulla oblongata. Anschließend erreicht er den Fasciculus anterior des Rückenmarks, nahe der Fissura mediana anterior.
Die meisten seiner Fasern enden in der oberen Zervikalregion des Rückenmarks.
Dort spielen sie vermutlich eine Rolle in der reflektorischen Steuerung der Haltung als Antwort auf visuelle Stimuli.
Wir kommen nun zu einer besonderen Gruppe an Leitungsbahnen. Diese unterscheiden sich deshalb von den bisher besprochenen Bahnen, weil sie keinen gemeinsamen Ursprung und auch keinen gemeinsamen Verlauf besitzen. Sie erfüllen lediglich die gleiche Funktion. Die Rede ist von den retikulären Bahnen. Sie haben ihren Ursprung in verschiedenen Regionen der Formatio reticularis. Bei der Formation reticularis handelt es sich um eine Ansammlung von Nervenzellen und -fasern, die verstreut über das Mittelhirn, den Pons und die Medulla oblongata vorzufinden sind.
Der Tractus reticulospinalis medialis entspringt in den medialen Anteilen der Formatio reticularis, vor allem im Pons. Man nennt diesen Trakt deshalb auch Tractus pontoreticulospinalis. Anschließend zieht er weiter zum Rückenmark. Hier verläuft er im Funiculus anterior, nahe der Fissura mediana anterior.
Seine Funktion liegt vor allem in der Anpassung der Haltung, indem er die Extensoren des Rumpfes aktiviert und Muskeln des Halses inhibiert.
Der Tractus reticulospinalis lateralis hat seinen Ursprung in den lateralen Anteilen der Formatio reticularis innerhalb der Medulla oblongata. Er wird deswegen auch Tractus bulboreticulospinalis genannt. Im Rückenmark zieht er durch den Funiculus lateralis und bildet Synapsen im Vorderhorn der grauen Substanz. Er fördert die Aktivität der Flexoren an den Extremitäten und dem Rumpf. Zusätzlich soll er einige aufsteigende Bahnen enthalten, die der Schmerzempfindung dienen.
Bis heute gibt es keinen Konsens darüber, ob manche Fasern dieser Leitungsbahn zur kontralateralen Seite kreuzen.
Die nächste Leitungsbahn – der Tractus vestibulospinalis – wird in zwei Bahnen eingeteilt: in den medialen und den lateralen Tractus vestibulospinalis.
Sie entspringen jeweils im medialen beziehungsweise im lateralen Nucleus vestibularis. Diese befinden sich in der Medulla oblongata im unteren Bereich des vierten Ventrikels.
Die Nuclei vestibulares erhalten Informationen aus dem Kleinhirn sowie -über den Nervus vestibularis- aus dem Innenohr.
Über diese beiden Strukturen erhalten die Kerne Informationen über die Position des Körpers. Deshalb ist es durchaus sinnvoll, dass die zugehörige Leitungsbahn motorische Informationen zu den Muskeln sendet, die für das Gleichgewicht zuständig sind. Bei Schäden am Innenohr kommt es deshalb zu Gleichgewichtsstörungen. Die Bewegungen, die dabei vom Tractus vestibulospinalis vermittelt werden, sind dann nicht mehr an die Situation angepasst. Dadurch kommt es bei Betroffenen zu Schwindelanfällen und einer erhöhten Sturzgefahr. Der medizinische Fachbegriff für Schwindel ist Vertigo.
Der Tractus vestibulospinalis medialis hat seinen Ursprung im Nucleus vestibularis medialis und verläuft anschließend durch den Funiculus anterior des Rückenmarks. Dieser Trakt besitzt sowohl Fasern, die kreuzen, als auch Fasern, die ipsilateral weiter verlaufen.
Der Tractus vestibulospinalis medialis vermittelt die Hemmung der Muskelaktivität im Hals und im oberen Rücken. Damit trägt er zur Erhaltung des Gleichgewichts bei.
Der Tractus vestibulospinalis lateralis entspringt im Nucleus vestibularis lateralis. Von dort verläuft er ungekreuzt zum Rückenmark.
Diese Leitungsbahn trägt ebenfalls zum Erhalt des Gleichgewichts bei. Sie sorgt für die Aktivierung der Extensoren sowie für die Hemmung der Flexoren am Hals, dem Rücken und den Extremitäten.
Kommen wir nun zu den absteigenden autonomen Bahnen. Dies ist eine Gruppe von Leitungsbahnen, die für den Informationsaustausch zwischen dem Gehirn und dem autonomen Nervensystem sorgen. Zu dieser Gruppe gehören die hypothalamospinalen Bahnen.
Diese entspringen am Nucleus paraventricularis des Hypothalamus. Er zieht nach kaudal zu den parasympathischen und sympathischen präganglionären Zellen im Hinterhorn der grauen Substanz.
Reguliert werden diese Bahnen unter anderem durch die Hormone Oxytocin, Vasopressin und Dopamin.
Auch die katecholaminergen Leitungsbahnen gehören zur Gruppe der autonomen Bahnen. Sie haben ihren Ursprung am Locus coeruleus und im Bereich der Medulla oblongata. Ihr Ende befindet sich in präsynaptischen Ganglien im Hinter- und Seitenhorn des Rückenmarks.
Sie werden reguliert durch die Hormone Epinephrin, Norepinephrin und Dopamin. Epinephrin und Norepinephrin kennst du wahrscheinlich auch unter den Namen Adrenalin und Noradrenalin.
Eine weitere Gruppe von autonomen Leitungsbahnen sind die raphespinalen Bahnen. Diese verbinden die Nuclei raphei mit dem Rückenmark.
Die raphespinalen Bahnen spielen eine Rolle in den Bereichen Nozizeption und Bewegung. Dabei werden sie vor allem durch Serotonin beeinflusst.
Das war es schon zu den absteigenden Bahnen des Rückenmarks.
Sehen wir uns jetzt die aufsteigenden Bahnen des Rückenmarks etwas genauer an.
Auch bei den aufsteigenden Bahnen hilft es, sich zunächst einmal den typischen Aufbau einer solchen Bahn anzusehen. Normalerweise sind diese eingeteilt in das erste, das zweite und das dritte Neuron. Man spricht auch von Neuronen erster, zweiter und dritter Ordnung. Der Zellkörper des ersten Neurons sitzt im Spinalganglion. Es handelt sich dabei um ein pseudounipolares Neuron, dessen Fortsätze sensorische Informationen von peripheren Rezeptoren erhalten.
Über die hintere Nervenwurzel gelangen die Axone zur grauen Substanz des Rückenmarks.
Hier bilden sie Synapsen mit den Zellkörpern, die in den Nuclei des Hinterhorns liegen. Die Neurone im Hinterhorn der grauen Substanz bilden somit die zweiten Neurone der aufsteigenden Bahnen. Wenn das Ziel einer Leitungsbahn der zerebrale Kortex ist, verlaufen die Fasern zunächst zum Thalamus.
Hier befindet sich das dritte Neuron der Leitungsbahn. Über dieses Neuron gelangen die Informationen zur entsprechenden Zielregion in der Hirnrinde.
Das ist der reguläre Verlauf einer aufsteigenden Bahn.
Aber natürlich gibt es auch Leitungsbahnen, die von diesem Schema abweichen. Zu diesen Ausnahmen gehören der Fasciculus gracilis und der Fasciculus cuneatus. Dies sind zwei Leitungsbahnen im Hinterstrang des Rückenmarks. Zusammen werden sie deshalb auch als Hinterstrangbahnen bezeichnet.
In der rechten Abbildung siehst du den Verlauf der beiden Bahnen. Das Besondere ist hier, dass die ersten Neurone mit ihren Fortsätzen, vom Spinalganglion aus, direkt nach kranial weiterziehen. Sie werden in der grauen Substanz also nicht auf ein zweites Neuron umgeschaltet.
Die beiden Bahnen werden somit nicht von Axonen des zweiten, sondern von Axonen des ersten Neurons gebildet.
Wie schon bei der Pyramidenbahn findet man auch hier eine somatotopische Gliederung. Da diese Bahnen von kaudal nach kranial verlaufen, befinden sich medial die Fasern der untersten Ganglien, während sich lateral die Fasern aus den weiter oben gelegenen Ganglien befinden.
Wie du in dieser Abbildung sehen kannst, liegt der Fasciculus gracilis im Rückenmark medial. Er erstreckt sich über die gesamte Länge des Rückenmarks.
Entsprechend der somatotopischen Gliederung erhält er seine Fasern aus der Coccygeal- und Sakralregion sowie aus der unteren Thorakalregion.
Der Fasciculus cuneatus hingegen liegt weiter lateral und erhält somit Fasern aus der oberen Thorax- und Halsregion. Im Gegensatz zum Fasciculus gracilis ist der Fasciculus cuneatus nur im oberen Rückenmarksbereich zu finden.
Die beiden Fasciculi verlaufen im ipsilateralen Hinterstrang des Rückenmarks nach kranial zur Medulla oblongata. Der Fasciculus gracilis endet hier im Nucleus gracilis, während der Fasciculus cuneatus bis zum Nucleus cuneatus zieht. In diesen beiden Nuclei werden die Fasern auf die Neurone zweiter Ordnung verschaltet. Die Fasern der zweiten Neurone kreuzen anschließend in der Medulla oblongata auf die Gegenseite und ziehen dann weiter zum Thalamus.
Der Fasertrakt zwischen den beiden Nuclei und dem Thalamus wird als Lemniscus medialis bezeichnet.
Im Thalamus befinden sich die Neurone dritter Ordnung. Diese leiten die sensorischen Informationen schließlich zum somatosensorischen Kortex weiter. Dabei handelt es sich um Informationen zu Propriozeption, Berührung, Vibration und Zwei-Punkte-Diskrimination.
Kommen wir nun aber zu den Bahnen, die den üblichen Verlauf einer sensorischen Bahn aufweisen.
Beginnen wir mit dem Tractus spinothalamicus anterior und lateralis. Die Zellkörper der ersten Neurone dieses Traktes befinden sich in den Spinalganglien. Ihre zentralen Fortsätze ziehen zur grauen Substanz des Rückenmarks.
Bevor die Fasern in die graue Substanz eintreten, verlaufen sie für eine kurze Strecke im Tractus posterolateralis, nahe der Spitze des Hinterhorns.
Innerhalb der grauen Substanz werden sie auf die zweiten Neurone umgeschaltet. Diese befinden sich vor allem in der Substantia gelatinosa und dem Nucleus proprius, also in den Laminae II bis V.
Anschließend kreuzen die Fasern über die Commissura alba anterior auf die Gegenseite. Dort verlaufen sie als Tractus spinothalamicus anterior und Tractus spinothalamicus lateralis im Vorder- beziehungsweise Seitenstrang der weißen Substanz. Der größte Unterschied zwischen den beiden Bahnen liegt darin, dass sie auf unterschiedlichen Segmenthöhen kreuzen: Während die Fasern der lateralen Bahn direkt im entsprechenden Spinalnervensegment kreuzen, treten die Fasern der anterioren Bahn erst ein oder mehrere Spinalnervensegmente weiter kranial auf die Gegenseite über. Es gibt jedoch auch einen kleinen Anteil an Fasern, der ungekreuzt weiter verläuft.
Die Fasern des anterioren Traktes leiten Informationen über die Grobwahrnehmung von Berührungen und Druck weiter. Die Fasern des lateralen Traktes sind eher für die Weiterleitung von Informationen zu Schmerz und Temperatur zuständig.
Obwohl die Fasern unterschiedliche Funktionen erfüllen, bilden sie eine Einheit. Wie der Name der Bahnen bereits verrät, ziehen die Fasern der zweiten Neurone zum Thalamus. Hier befinden sich die dritten Neurone, die die Informationen zum Cortex weiterleiten.
Auch die spinozerebellären Trakte gehören zu den aufsteigenden Bahnen. Sie leiten hauptsächlich propriozeptive Impulse der Muskelspindeln und der Golgi-Sehnenorgane zum Kleinhirn. Mithilfe dieser Informationen sorgt das Kleinhirn für die Koordination von Muskelbewegungen.
Wie schon gesagt, unterscheidet man zwischen dem Tractus spinocerebellaris anterior und dem Tractus spinocerebellaris posterior.
Beginnen wir mit dem Tractus spinocerebellaris posterior. Dieser wird auch Tractus spinocerebellaris dorsalis genannt.
Er leitet Informationen der unbewussten Propriozeption der unteren Extremität und des unteren Rumpfes.
Die Zellkörper der ersten Neurone dieser Leitungsbahn befinden sich in den Spinalganglien unterhalb des Spinalnervensegments C8. Im Nucleus dorsalis werden sie anschließend auf die Neurone zweiter Ordnung verschaltet.
Kurz zur Wiederholung: Der Nucleus dorsalis wird auch Nucleus thoracicus posterior oder Stilling-Clarke-Säule genannt. Der Nucleus dorsalis erstreckt sich zwischen den Spinalnervensegmenten C8 und L3.
Die Axone der ersten Neurone unterhalb dieser Segmente verlaufen im Fasciculus gracilis bis zum Spinalnervensegment L3. Dort werden sie im Nucleus dorsalis ebenfalls auf die Neurone zweiter Ordnung umgeschaltet.
Die Axone der zweiten Neurone ziehen als Tractus spinocerebellaris posterior im ipsilateralen Seitenstrang durch die Medulla oblongata zum Kleinhirn.
In das Kleinhirn gelangen die Fasern über den Pedunculus cerebellaris inferior. Anschließend enden sie in der paravermalen Zone des Kleinhirns.
Gehen wir über zum Tractus spinocerebellaris anterior. Diesen nennt man auch Tractus spinocerebellaris ventralis.
Sein Name verrät uns bereits, dass er anterior des Tractus spinocerebellaris posterior liegt. Seine Fasern übermitteln dem Kleinhirn unbewusste propriozeptive Informationen der unteren Extremität und des unteren Rumpfes.
Die Neurone erster Ordnung befinden sich in den Spinalganglien der Segmente L2 bis S5. Die Neurone zweiter Ordnung liegen im Bereich zwischen Vorder- und Hinterhorn der grauen Substanz, genauer gesagt in den Laminae V, VI und VII. Diese Neurone stehen zusätzlich mit absteigenden motorischen Bahnen in Verbindung, die zur unteren Extremität ziehen. Die meisten Axone kreuzen auf Segmenthöhe und ziehen dann als Tractus spinocerebellaris anterior im kontralateralen Seitenstrang nach kranial.
Oberhalb des Rückenmarks verläuft der Trakt weiter durch die Medulla oblongata, den Pons und das Mesencephalon. Von dort ziehen die Fasern über den Pedunculus cerebellaris superior ins Kleinhirn. Beim Eintritt in das Kleinhirn kreuzen die Fasern wieder zurück auf ihre ursprüngliche Seite. Durch diese zweifache Kreuzung werden die Informationen einer Körperhälfte von der ipsilateralen Kleinhirnhälfte empfangen, obwohl die Leitungsbahn auf der kontralateralen Seite verläuft.
Natürlich besitzen der Tractus spinocerebellaris posterior und der Tractus spinocerebellaris anterior auch ein jeweiliges Gegenstück, das die Informationen des oberen Rumpfes und der oberen Extremität zum Kleinhirn führt.
Der Tractus cuneocerebellaris leitet propriozeptive Informationen der oberen Extremität. Dementsprechend bildet er das Gegenstück zum Tractus spinocerebellaris posterior.
Bei dieser Leitungsbahn liegen die Zellkörper der ersten Neurone in den Spinalganglien der Segmente C1 bis C8. Der Tractus cuneocerebellaris erhält somit Informationen aus der oberen Extremität und dem Rumpf. Die Axone der ersten Neurone werden nicht wie sonst in der grauen Substanz auf ein zweites Neuron umgeschaltet. Stattdessen verlaufen sie ipsilateral im Fasciculus cuneatus bis zum Nucleus cuneatus accessorius in der Medulla oblongata. Erst dort werden sie auf die Neurone zweiter Ordnung verschaltet. Die Axone der zweiten Neurone ziehen von hier über den Pedunculus cerebellaris inferior zum Kleinhirn.
Natürlich gibt es auch noch ein funktionelles Gegenstück zum Tractus spinocerebellaris anterior, nämlich den Tractus spinocerebellaris rostralis.
Die ersten Neurone dieses Traktes befinden sich in den Spinalganglien der Segmente C1 bis C8. Sie werden in der Substantia grisea intermedia auf die Neurone zweiter Ordnung verschaltet.
Die Axone dieser Neurone verlaufen ipsilateral über die Pedunculi cerebellares superior und inferior zum Kleinhirn.
Kommen wir nun zu unserer vorletzten aufsteigenden Bahn, dem Tractus spinoreticularis. Die Fasern dieser Bahn stammen größtenteils aus der Lamina VII. Einige Fasern entspringen aber auch in den Laminae V und VIII.
Der Tractus spinoreticularis enthält sowohl kreuzende als auch nicht-kreuzende Fasern. Die Fasern ziehen im Vorderseitenstrang des Rückenmarks zusammen mit den spinothalamischen Bahnen nach kranial.
Ihr Ziel ist die Formatio reticularis des Pons und der Medulla oblongata. Man nimmt an, dass sie für die Weiterleitung nozizeptiver Informationen zuständig sind.
Die letzte aufsteigende Bahn, die wir besprechen werden, ist der Tractus spinoolivaris. Dieser besteht aus kreuzenden Fasern, die im Vorder- und Seitenstrang des Rückenmarks verlaufen. Ihr Ziel sind die Nuclei olivares inferiores.
Und damit hast du den kompliziertesten Teil dieses Tutorials geschafft. Da wir nun den Aufbau der weißen Substanz kennen, sehen wir uns jetzt einmal an, wie sich dieser im Verlauf des Rückenmarks ändert.
Wie du in dieser Abbildung siehst, nimmt der Anteil der weißen Substanz im Rückenmark nach kranial zu. Das ergibt auch Sinn, wenn man sich überlegt, dass immer mehr aufsteigende Leitungsbahnen hinzukommen. Ab der Zervikalregion sind alle aufsteigenden Bahnen im Rückenmark enthalten. Die weiße Substanz ist in diesem Bereich deshalb am stärksten ausgeprägt.
Ähnlich ist es auch mit den absteigenden Bahnen. Je höher du dich im Rückenmark befindest, desto mehr Leitungsbahnen sind noch vorhanden, die dann nach und nach aus dem Rückenmark in die Peripherie ziehen.
Jetzt, wo du dich mit den Bahnen der weißen Substanz auskennst, sehen wir uns ein klinisches Fallbeispiel zu diesem Thema an.
Es gibt unzählige Verletzungen, Läsionen und Erkrankungen, die die Bahnen der weißen Substanz betreffen. Eine davon ist die Pyramidenbahnläsion. Dabei handelt es sich um eine Schädigung des ersten Motoneurons der kortikospinalen Bahnen.
Es gibt mehrere Reflexe, anhand derer man die Funktion der Pyramidenbahn überprüfen kann.
Der erste Reflex, den ich dir zeigen möchte, ist der Babinski-Reflex. Wenn man bei einer gesunden Person am lateralen Rand der Fußsohle entlang streicht, kommt es zu einer Plantarflexion aller Zehen. Liegt jedoch eine Schädigung der Pyramidenbahn vor, kommt es zu einer Dorsalextension der Großzehe. Das bedeutet, dass sich die Großzehe nach oben streckt, während die restlichen Zehen abduzieren und sich auffächern.
Ein weiterer Reflex zur Überprüfung der Pyramidenbahn ist der Bauchhautreflex. Dabei wird geprüft, ob die Bauchmuskulatur sich anspannt, wenn man mit einem spitzen Gegenstand über die Bauchhaut kratzt. Bei einer gesunden Person ist dieser Reflex auslösbar, während der Reflex bei einer Pyramidenbahnschädigung ausbleibt.
Den letzten Reflex kann man nur bei Männern testen. Gemeint ist der Kremasterreflex. Dafür streicht man an der Innenseite des Oberschenkels entlang. Physiologischerweise hebt sich dabei kurz der ipsilaterale Hoden. Bei einer Schädigung der kortikospinalen Bahnen ist dieser Reflex nicht auslösbar.
Fassen wir nun noch einmal zusammen, was wir in diesem Tutorial alles gelernt haben.
Wir haben gesehen, dass jede Hälfte des Rückenmarks einen Funiculus anterior, einen Funiculus lateralis und einen Funiculus posterior besitzt.
Außerdem haben wir uns mit den Leitungsbahnen der weißen Substanz beschäftigt. Diese bilden eine Verbindung zwischen Rückenmark und Gehirn. Die Bahnen, die im Gehirn beginnen und motorische Informationen zum Rückenmark leiten, nennt man absteigende Bahnen. Hierbei unterscheidet man zwischen der Pyramidenbahn und den extrapyramidalen Bahnen.
Die Bahnen, die sensorische Informationen vom Rückenmark zum Gehirn weiterleiten, nennt man aufsteigende Bahnen.
Die absteigenden Bahnen enthalten in der Regel ein erstes Motoneuron im Gehirn und ein zweites Motoneuron im Rückenmark.
Zu den absteigenden Bahnen gehören die kortikospinalen Bahnen. Diese lassen sich unterteilen in den Tractus corticospinalis lateralis und anterior. Zusammen werden sie als Pyramidenbahn bezeichnet. Sie ziehen von der Großhirnrinde zum Rückenmark.
Der Tractus corticospinalis lateralis kreuzt in der Medulla oblongata auf die Gegenseite und verläuft im Seitenstrang des Rückenmarks. Er leitet vor allem Informationen über willkürliche Bewegungen.
Der Tractus corticospinalis anterior hingegen verläuft entlang des ipsilateralen Vorderstrangs und kreuzt erst im Rückenmark auf Höhe des Zielsegments. Seine Aufgabe ist die motorische Innervation der Rumpf- und Schultergürtelmuskulatur.
Der Tractus rubrospinalis gehört zu den extrapyramidalen Bahnen. Er zieht vom Nucleus ruber direkt zur kontralateralen Seite. Von hier aus verläuft er durch den Seitenstrang ins Vorderhorn der grauen Substanz.
Ein weiterer Vertreter der extrapyramidalen Bahnen ist der Tractus tectospinalis. Seine Fasern entspringen am Colliculus superior im Tectum mesencephali. Sie kreuzen im oberen Abschnitt des Tegmentums und verlaufen dann im Vorderstrang des Rückenmarks nach kaudal.
Auch die retikulospinalen Bahnen gehören zu den extrapyramidalen Bahnen. Sie entspringen im Bereich des Hirnstamms in der Formatio reticularis.
Man unterscheidet zwischen dem medialen und dem lateralen Tractus reticulospinalis. Der Tractus reticulospinalis medialis ist beteiligt an der Anpassung der Haltung des Rumpfes.
Der Tractus reticulospinalis lateralis reguliert die Aktivität der Flexoren an den Extremitäten und dem Rumpf.
Die letzte extrapyramidale Bahn, über die wir gesprochen haben, ist der Tractus vestibulospinalis. Auch hier gibt es einen medialen und einen lateralen Trakt. Beide haben ihren Ursprung in den Nuclei vestibulares. Sie stehen mit dem Innenohr über den Nervus vestibularis in Verbindung. Der Tractus vestibulospinalis medialis entspringt im Nucleus vestibularis medialis, während der Tractus vestibulospinalis lateralis im Nucleus vestibularis lateralis beginnt.
Auch die meisten aufsteigenden Bahnen weisen einen einheitlichen Aufbau auf. Die Zellkörper der Neurone erster Ordnung sitzen dabei in den Spinalganglien. Die Zellkörper der Neurone zweiter Ordnung befinden sich in der grauen Substanz des Rückenmarks. Im Thalamus befinden sich die Zellkörper der Neurone dritter Ordnung.
Im Hinterstrang des Rückenmarks befinden sich zwei aufsteigende Bahnen, die in ihrem Aufbau etwas von diesem Schema abweichen. Dies sind der Fasciculus gracilis sowie der Fasciculus cuneatus.
Sie leiten Informationen über Propriozeption, Vibration und Feinwahrnehmung aus verschiedenen Spinalnervensegmenten zum somatosensorischen Kortex. Außerdem sind sie wichtig für die Zwei-Punkte-Diskrimination. Die Besonderheit dieser beiden Bahnen ist, dass sie von Neuronen erster Ordnung gebildet werden, obwohl die aufsteigenden Bahnen normalerweise aus den Axonen der Neurone zweiter Ordnung bestehen.
Zur Gruppe der aufsteigenden Bahnen gehören außerdem die spinothalamischen Bahnen. Der Tractus spinothalamicus anterior verläuft im Vorderstrang und leitet Informationen über Grobwahrnehmung und Druck. Der Tractus spinothalamicus lateralis verläuft wiederum im Seitenstrang und führt Informationen über Schmerz und Temperatur.
Des Weiteren haben wir uns den Tractus spinocerebellaris anterior sowie den Tractus spinocerebellaris posterior angesehen.
Der Tractus spinocerebellaris anterior stammt aus den Laminae V bis VII und kreuzt im Verlauf.
Der Tractus spinocerebellaris posterior entspringt hingegen am Nucleus dorsalis und verläuft ipsilateral. Trotz ihrer unterschiedlichen Verläufe enden beide am Vermis und der paravermalen Zone des Kleinhirns.
Sie leiten die Informationen verschiedener propriozeptiver Rezeptoren an das Kleinhirn weiter.
Der Tractus spinoreticularis gehört ebenfalls zu den aufsteigenden Bahnen. Er entstammt größtenteils der Lamina VII.
Zusammen mit den spinothalamischen Bahnen verläuft er im Vorderseitenstrang des Rückenmarks. Sein Ende befindet sich in der Formatio reticularis.
Die letzte Leitungsbahn, die wir uns angesehen haben, ist der Tractus spinoolivaris. Dieser verbindet das Rückenmark mit den Nuclei olivares accessorii.
Zum Schluss haben wir uns noch drei Reflexe angesehen, mit deren Hilfe man überprüfen kann, ob eine Pyramidenbahnläsion vorliegt.
Und damit sind wir am Ende dieses Tutorials angekommen.
Vielen Dank fürs Zusehen und bis zum nächsten Mal!