Video: Rückenmark - Graue Substanz
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Bereits seit dem 4. Jahrhundert vor Christus arbeiten Anatomen daran, die Funktionsweise des Gehirns und des Rückenmarks vollständig zu verstehen.
Diesem Ziel gingen viele nach, von Hippokrates aus ...
Mehr lesenBereits seit dem 4. Jahrhundert vor Christus arbeiten Anatomen daran, die Funktionsweise des Gehirns und des Rückenmarks vollständig zu verstehen.
Diesem Ziel gingen viele nach, von Hippokrates aus dem antiken Griechenland bis hin zu bekannten Anatomen des 20. Jahrhunderts wie Paul Broca, Carl Wernicke und Korbinian Brodmann. Einige dieser Namen kommen dir vielleicht bekannt vor, denn es handelt sich dabei um die Namensgeber bestimmter Regionen des Gehirns. Gemeint sind das Broca-Areal, das Wernicke-Areal sowie die Brodmann-Areale.
Ein weiterer sehr bekannter Neurowissenschaftler ist der schwedische Forscher Bror Rexed, der in den 50er Jahren eine neue Einteilung der grauen Substanz des Rückenmarks etabliert hat: die Rexed-Laminae.
Und damit sind wir auch schon beim heutigen Thema angekommen: der grauen Substanz des Rückenmarks.
Bevor wir anfangen, gebe ich dir noch eine kurze Übersicht über das, was wir uns heute ansehen werden. Wir werden mit einer kurzen Wiederholung der makroskopischen Anatomie des Rückenmarks beginnen. Dabei gehen wir vor allem auf die Einteilung des Rückenmarks im Querschnitt ein.
Danach kommen wir zu unserem eigentlichen Thema: der grauen Substanz des Rückenmarks. Wie du vielleicht schon weißt, wird diese in das Vorderhorn, das Hinterhorn und das Seitenhorn eingeteilt.
In diesen Bereichen befinden sich wiederum weitere Strukturen und Areale, die wir genauer besprechen werden. Dazu gehören zum einen die Nuclei und zum anderen die sogenannten Laminae. Danach sehen wir uns die unterschiedlichen Erscheinungsbilder der grauen Substanz auf verschiedenen Ebenen des Rückenmarks an. Zum Abschluss des Tutorials werden wir uns noch mit einem passenden klinischen Fallbeispiel beschäftigen.
Legen wir also los mit einer kurzen Wiederholung der makroskopischen Anatomie des Rückenmarks. Diese Informationen können dir später dabei helfen, die innere Struktur des Rückenmarks besser nachzuvollziehen.
Solltest du an dieser Stelle etwas nicht ganz verstehen oder gerne tiefer ins Detail gehen wollen, dann schau dir gerne unsere Tutorials zur Wirbelsäule und den Spinalnerven auf unserer Website an.
Das Rückenmark ist eine röhrenförmige Struktur, die sich vom Foramen magnum des Schädels bis ungefähr zum 1. oder 2. Lendenwirbelkörper erstreckt. Kranial bildet das Rückenmark die Verlängerung der Medulla oblongata des Hirnstamms. Das kaudale Ende des Rückenmarks wird als Conus medullaris bezeichnet.
Unterhalb des Conus medullaris befindet sich ein Nervenfasergeflecht bestehend aus Spinalnervenwurzeln. Dieses wird zusammengefasst als Cauda equina bezeichnet.
Außerdem besitzt das Rückenmark zwei Verdickungen. Eine davon liegt in der Zervikalregion, während sich die zweite in der Lumbosakralregion befindet. Was es mit diesen Verdickungen auf sich hat, werden wir später im Tutorial noch klären.
In jeder Segmentebene der Wirbelsäule tritt bilateral ein Paar Nervenwurzeln als sogenannte Fila radicularia aus dem Rückenmark aus. Insgesamt entstehen auf diese Weise 31 Spinalnervenpaare.
In dieser Abbildung siehst du das Rückenmark im Querschnitt. Hier befindet sich die anteriore beziehungsweise ventrale Seite, während hier die posteriore beziehungsweise dorsale Seite liegt.
Bestimmt hast du die graue Substanz auf diesem Bild bereits erkannt. Sie lässt sich durch ihre charakteristische Schmetterlingsform leicht von der sie umgebenden weißen Substanz abgrenzen. In diesem Tutorial gehe ich nicht weiter auf die weiße Substanz ein. Wenn du mehr über sie erfahren möchtest, dann kannst du alles darüber in unserem Tutorial zur weißen Substanz des Rückenmarks herausfinden.
Bevor wir auf die verschiedenen Details der grauen Substanz eingehen, wiederholen wir noch einige anatomische Referenzpunkte, an denen du dich im Querschnitt des Rückenmarks orientieren kannst. Das Rückenmark besitzt eine klare Einteilung in eine rechte und eine linke Hälfte.
Anterior werden diese durch die Fissura mediana anterior voneinander getrennt. Posterior bildet das Septum medianum posterius die Trennung zwischen den beiden Rückenmarkshälften. Dieses Septum geht im Bereich der Einkerbung in den Sulcus medianus posterior über.
Am Ansatzpunkt der Hinterwurzel befindet sich der Sulcus posterolateralis.
Im Bereich der Halswirbelsäule befindet sich zwischen dem Sulcus medianus posterior und dem Sulcus posterolateralis zusätzlich eine lange Furche: der Sulcus intermedius posterior. Der Sulcus anterolateralis befindet sich an der Stelle, an der die Vorderwurzeln aus dem Rückenmark austreten.
Posterior der Commissura alba anterior liegt die Commissura grisea, die die beiden Hälften der grauen Substanz miteinander verbindet.
Im Zentrum der Commissura grisea findet man den Canalis centralis.
Dorsal des Canalis centralis befindet sich die Commissura alba posterior. In diesem Bereich kreuzen einige myelinisierte Fasern auf die kontralaterale Rückenmarkshälfte.
Damit bist du jetzt bereit für den nächsten Teil dieses Videos, in dem wir uns die unterschiedlichen Strukturen der grauen Substanz und deren Funktion genauer ansehen werden.
Wie der Name schon verrät, ist die graue Substanz durch ihre gräuliche Farbe einfach von der weißen Substanz zu unterscheiden. Die unterschiedliche Färbung dieser beiden Rückenmarkssubstanzen ist durch die Tatsache zu erklären, dass die graue Substanz eine hohe Anzahl an Zellkörpern besitzt, während myelinisierte Axone in dieser Region fehlen. Die weiße Substanz dagegen erhält ihre helle Färbung durch die Vielzahl myelinisierter Axone. Zusätzlich zu den Zellkernen der Motoneurone besitzt die graue Substanz Zellkörper von Interneuronen sowie einige nicht myelinisierte Axone und Gliazellen, also Stützzellen.
Die graue Substanz besitzt drei Ausläufer, die man als Hörner bezeichnet.
Es gibt das Vorderhorn, das Hinterhorn und das Seitenhorn. Das Seitenhorn ist nur in der Thorakal- und Sakralregion vorhanden.
Man kann sich diese drei Hörner als drei kleine “Siedlungen” im Dorf der grauen Substanz vorstellen. Jede dieser Siedlungen besitzt vereinzelte Axone, Dendriten und Stützzellen. Der Großteil der grauen Substanz wird allerdings von neuronalen Zellkörpern gebildet. Diese Zellkörper sammeln sich in kleinen Gruppen, je nachdem, welche Funktion sie erfüllen. Diese Zellkörperansammlungen nennt man Nuclei. In jedem Horn, beziehungsweise in jeder unserer kleinen Siedlungen, gibt es unterschiedliche Nuclei. Sie sind sozusagen die Bewohner der Siedlungen, wobei jeder Bewohner einen unterschiedlichen Beruf ausübt.
Das Vorderhorn ist für die motorischen Funktionen zuständig. Du kannst dir die Nuclei des Vorderhorns also als Arbeiter vorstellen, die wie kleine Postboten Informationen aus dem Gehirn an die entsprechenden vorgegebenen Skelettmuskeln im Körper überbringen.
Das Hinterhorn hingegen ist für die Sensibilität verantwortlich. Somit kann man sich die Nuclei des Hinterhorns als kleine Forscher vorstellen, die Informationen sammeln und nach kranial zum Gehirn senden, damit diese dort verarbeitet werden können.
Jetzt bleibt noch das Seitenhorn, dessen Rolle etwas spezieller ist. Bei dieser „Siedlung“ handelt sich gewissermaßen um eine Gruppe aus einem fremden Stamm – dem autonomen Nervensystem – dem es erlaubt wurde, eine Siedlung im Dorf der grauen Substanz zu bilden. Diese Siedlung ist vor allem für die sympathischen “fight-or-flight”-Funktionen zuständig. Dazu kommen außerdem die parasympathischen “rest-and-digest”’-Funktionen des autonomen Nervensystems.
Im Gegensatz dazu stehen das Hinter- und Vorderhorn im Dienst des somatischen Nervensystem. Dieses kontrolliert die willkürlichen Bewegungen und umfasst sowohl afferente, also sensorische, als auch efferente, also motorische, Funktionen.
Schauen wir uns nun die verschiedenen Nuclei des Vorderhorns der grauen Substanz genauer an. Wie bereits gesagt, sorgen die Nuclei des Vorderhorns für die Weiterleitung von Information aus dem Gehirn an die entsprechenden Muskeln. Die Nuclei des Vorderhorns sind in drei Kerngruppen eingeteilt: in die mediale, die laterale und die zentrale Kerngruppe.
Die erste Gruppe, die wir uns ansehen, ist die mediale Kerngruppe. Sie liegt, wie der Name schon sagt, am weitesten medial. Die mediale Kerngruppe kann man weiter unterteilen in einen ventromedialen und einen dorsomedialen Abschnitt. Vorhin habe ich dir bereits erklärt, dass das Vorderhorn für die Motorik zuständig ist. Dieses Areal beinhaltet also Neurone, die die Muskeln des Halses und des Rumpfes innervieren.
Man findet diese Nuclei über die gesamte Länge des Rückenmarks hinweg.
Die laterale Kerngruppe folgt demselben Prinzip. Sie befindet sich im lateralen Bereich des Vorderhorns und lässt sich weiter in kleinere Gruppen unterteilen. Ventral liegt die ventrolaterale Gruppe, während dorsal die dorsolaterale Gruppe liegt. Die dritte Untergruppe bildet die retrodorsolaterale Gruppe, die -entsprechend dem Namen- hinter der dorsolateralen Gruppe liegt und sich damit am weitesten posterior befindet.
Im Gegensatz zu der medialen Kerngruppe sind die Nuclei der lateralen Gruppe lediglich in der zervikalen sowie der lumbalen Region des Rückenmarks vorhanden. Genau dort befinden sich auch die zervikale und lumbale Rückenmarksverdickung, die ich zu Anfang dieses Tutorials bereits erwähnt habe. Sie entstehen durch die hohe Dichte an Nervenzellkörpern in diesen Bereichen. Diese Nervenzellkörper dienen der Versorgung der Extremitäten.
Damit kennst du nun auch die Funktion der Nuclei der lateralen Kerngruppe: Sie sind für die nervale Versorgung der oberen und unteren Extremität zuständig.
Hierzu möchte ich dir noch einen nützlichen Tipp mit auf den Weg geben. Grob gesehen ist es nämlich so: Der am medialsten gelegene Teil des Vorderhorns versorgt die medialen oder auch die axialen Strukturen, also den Rumpf und den Hals.
Auf der anderen Seite sind die lateralen oder auch distalen Nuclei für die distalen Bereiche deines Körpers, also für die Extremitäten, zuständig.
Wie das aber in der Anatomie oft so ist, gibt es auch hier einige Ausnahmen von dieser Regel. Eine dieser Ausnahmen bildet die zentrale Kerngruppe des Vorderhorns. Die zentrale Kerngruppe umfasst drei Kerne. Den ersten Kern nennt man Nucleus phrenicus. Er erstreckt sich lediglich zwischen den Spinalnervensegmenten C3 bis C5 und innerviert das Zwerchfell. Hierzu gibt es einen englischen Merksatz, den du vielleicht schon einmal gehört hast: “C3, 4 and 5 keeps the diaphragm alive”.
Ein weiterer Kern der zentralen Kerngruppe ist der Nucleus spinalis des Nervus accessorius. Das kann man sich eigentlich ganz gut merken, denn der Nervus accessorius ist ein Hirnnerv und befindet sich somit im Bereich des Kopfes. Welches Spinalnervensegment liegt nochmal am nächsten zum Kopf? Sicherlich merkst du, worauf ich hinaus möchte. Dieser Kern erstreckt sich also zwischen den Rückenmarksebenen C1 und C5.
Er innerviert den Musculus trapezius sowie den Musculus sternocleidomastoideus.
Der letzte Nucleus dieser Region ist der Nucleus lumbosacralis. Hierbei spricht der Name für sich, denn dieser Kern verläuft zwischen L2 und S3. Seine Funktion ist bis heute allerdings nicht genau geklärt.
Kommen wir nun zu den kleinen Forschern im Hinterhorn. Das Hinterhorn bildet die zipfelartigen dorsalen Bereiche der grauen Substanz, die die sensorischen Kerne beherbergen. Wir werden die Strukturen des Hinterhorns geordnet von dorsal nach ventral besprechen, beginnend mit dem Nucleus marginalis, gefolgt von der Substantia gelatinosa, dem Nucleus proprius und dem Nucleus thoracicus posterior.
Beginnen wir also mit dem Nucleus marginalis, der sich am dorsalen Rand des Hinterhorns befindet. Du siehst ihn hier im Querschnitt des Rückenmarks grün markiert. Der Nucleus marginalis wird auch als Randkern oder manchmal als Zona marginalis bezeichnet.
Dieses Kerngebiet erstreckt sich über die gesamte Länge des Rückenmarks und sorgt für die Weiterleitung von Informationen über Schmerzen und Temperatur. Außerdem verlaufen hier Fasern des Tractus spinothalamicus der kontralateralen Seite.
Weiter ventral treffen wir auf den direkten Nachbarn des Nucleus marginalis: die Substantia gelatinosa. Diese wird auch als gelatinöse Substanz des Hinterhorns bezeichnet. Sie leitet Informationen über Schmerzen und Temperaturempfindungen weiter und erfüllt damit eine ähnliche Funktion wie der Nucleus marginalis.
Sie erstreckt sich ebenfalls über die gesamte Länge des Rückenmarks.
Verfolgt man ihren Weg bis ins Gehirn, sieht man, dass sie mit dem Nucleus des Tractus spinalis nervi trigemini weiter verläuft und damit zusätzlich die Weiterverarbeitung sensorischer Impulse moduliert.
Weiter ventral im Hinterhorn ist der große Nucleus proprius zu finden. Er enthält die Zellkörper sensorischer Neurone zweiter Ordnung, deren Axone zusammen den Tractus spinothalamicus lateralis bilden.
Auch dieses Kerngebiet ist über die gesamte Länge des Rückenmarks vorzufinden.
Noch etwas weiter ventral liegt der Nucleus thoracicus posterior, den man auch unter den Namen Nucleus dorsalis oder Stilling-Clarke-Säule kennt.
Der Nucleus thoracicus posterior stellt die Basis des Hinterhorns dar und unterscheidet sich in einigen Aspekten von den vorherigen Kernen.
Im Gegensatz zu den vorherigen Kerngebieten erstreckt sich dieser Kern nicht über die gesamte Länge des Rückenmarks, sondern lediglich zwischen den Spinalnervensegementen C8 und L3.
Er erhält propriozeptives Feedback aus der Peripherie und bildet den Ursprung des Tractus spinocerebellaris posterior.
Das waren die wichtigsten Kerngebiete des Hinterhorns. Kommen wir nun zum nächsten Rückenmarkshorn: dem Seitenhorn. Dieses unterscheidet sich in seiner Funktion sehr von seinen zwei Nachbarn. Den Bereich, in dem sich das Seitenhorn befindet, nennt man auch Zona intermedia, da das Seitenhorn zwischen den beiden anderen Rückenmarkshörnern liegt.
Das Seitenhorn besitzt zwei Kerne: den Nucleus intermediolateralis sowie den Nucleus intermediomedialis. Diese werden wir uns jetzt näher ansehen.
Wir beginnen mit dem Nucleus intermediolateralis. Wie der Name schon verrät, befindet sich dieser Kern im intermediären Bereich der grauen Substanz und ist lateral gelegen. Man findet ihn zwischen den Spinalnervensegmenten Th1 und L2.
Seine Fasern ziehen über die Rami communicantes albae zu den Ganglien im Grenzstrang. Damit bilden sie die thorakolumbalen Abgänge des Sympathikus.
Etwas weiter medial liegt der Nucleus intermediomedialis. Dieser ist nicht so stark abgrenzbar wie andere Nuclei, weswegen er manchmal nicht in medizinischen Fachbüchern erwähnt wird, beziehungsweise nur als Anhäufung von Zellkörpern dargestellt wird. Der Nucleus intermediomedialis erstreckt sich zwischen den Segmenten S2 und S4 und entsendet präganglionäre, parasympathische Nervenfasern.
Diese Fasern verlassen das Rückenmark über die Vorderwurzel der Spinalnerven und teilen sich dann auf, um die Nervi splanchnici pelvici zu bilden.
Vielleicht fragst du dich jetzt, wie es sein kann, dass diese Nervenfasern aus diesen sakralen Segmenten austreten, wo doch das Rückenmark auf Höhe der Lendenwirbelkörper 1 bis 2 endet. Das liegt daran, dass die Spinalnervensegmente des Rückenmarks nicht unbedingt mit den jeweiligen vertebralen Ebenen übereinstimmen.
Um dir das noch einmal bildlich zu verdeutlichen, zeige ich dir hier eine Abbildung des Rückenmarks und der Wirbelsäule von sagittal.
Du siehst hier die grün und blau gekennzeichneten Regionen, die jeweils dem lumbalen und dem sakralen Abschnitt des Rückenmarks entsprechen. Wie du siehst, enden beide Rückenmarksabschnitte kranial der entsprechenden Wirbelsäulensegmente. Die Spinalnerven aus diesen Rückenmarksabschnitten verlaufen noch weiter nach kaudal, bevor sie den Wirbelkanal auf Höhe ihres zugehörigen Wirbels verlassen.
Und damit haben wir alles Wichtige zu den verschiedenen Nuclei der grauen Substanz des Rückenmarks besprochen.
Wie schon zu Anfang des Tutorials erwähnt, gibt es aber noch eine andere Art der Einteilung der grauen Substanz im Rückenmark. Gemeint sind die Rexed-Laminae.
Bror Rexed habe ich dir bereits vorgestellt. Er ist es, der diese Unterteilung festgelegt hat.
Ihm ist aufgefallen, dass die Zellen und Nervenfasern innerhalb der grauen Substanz nach einem festen Schema angeordnet sind. Dies hat es ihm ermöglicht, die graue Substanz in zehn Schichten zu unterteilen, die er Laminae genannt hat.
Er hat beobachtet, dass die Zellkörper innerhalb der Laminae I bis X nach ihrer Struktur und Funktion gruppiert sind. In der Anatomie werden Strukturen eigentlich immer von ventral nach dorsal nummeriert. Die Einteilung nach Rexed stellt jedoch eine Ausnahme von dieser Regel dar. Er hat die Nummerierung am Hinterhorn, also von dorsal, begonnen. Sehen wir uns das etwas genauer an.
Wir starten mit den Strukturen der Laminae I bis VI. In Lamina I liegt der Nucleus marginalis, den du vorhin bereits kennengelernt hast. Er liegt direkt an der Spitze des Hinterhorns der grauen Substanz.
Die Lamina II wiederum beinhaltet die Substantia gelatinosa am Kopf des Hinterhorns.
Interessanterweise liegt der Nucleus proprius sowohl in der Lamina III als auch in der Lamina IV, die du jetzt in grün markiert siehst.
Zusammen formen die Laminae I bis IV den Kopf des Hinterhorns. Ihre Funktion liegt vor allem in der Weiterleitung sensorischer Informationen aus der Haut.
Der Hals des Hinterhorns wird von der Lamina V gebildet. Diese besteht aus einer Vielzahl sensorischer, afferenter Zellkörper. Sie dienen als Weiterleitungszentrum schmerzspezifischer Informationen.
Die Basis des Hinterhorns wird von der Lamina VI gebildet.
Diese ist zuständig für die sensorischen Elemente der Schmerzwahrnehmung und des dazugehörigen Reflexbogens. Wenn du zum Beispiel eine heiße Herdplatte mit deiner Hand berührst, ziehst du diese schnell wieder zurück. Meistens geschieht das, noch bevor du realisiert hast, dass du gerade dabei warst, dich zu verbrennen. Dies ist möglich durch eine erste schnelle Schmerzreaktion und der Umschaltung der Neurone in der grauen Substanz des Rückenmarks.
Fehlt noch der Nucleus dorsalis beziehungsweise die Stilling-Clarke-Säule. Dieser Kern umfasst sowohl Lamina VI als auch die Lamina VII.
Auf dieser Abbildung kannst du nun die Laminae I bis VII sehen. Sie gibt dir einen guten Überblick über ihre Lage und ihre Lagebeziehungen untereinander. Du kannst außerdem erkennen, dass die Grenze zwischen dem Vorder- und dem Hinterhorn ungefähr der Grenze zwischen Lamina VI und Lamina VII entspricht.
Kommen wir nun zu den Laminea VII bis X. Lamina VII beinhaltet Elemente des Seitenhorns. Dazu gehören der Nucleus intermediomedialis sowie der Nucleus intermediolateralis.
Über Leitungsbahnen der weißen Substanz gibt es eine Verbindung zwischen der Lamina VII und dem Mittelhirn sowie dem Kleinhirn.
Innerhalb dieser Lamina befinden sich außerdem die sogenannten Renshaw-Zellen. Dabei handelt es sich um hemmende Interneurone, die Teil des negativen Feedback-Mechanismus im Rückenmark sind.
Die Lamina VIII ist etwas komplizierter aufgebaut und hat eine variable Erscheinung je nach Höhe des Spinalnervensegments.
Schauen wir sie uns zuerst auf Höhe des Thorax an. Hier nimmt sie einen Großteil des Vorderhorns ein. Auf Höhe der zervikalen und lumbalen Verdickungen wird sie wieder schmaler, so dass nur noch ihre medialen Anteile vorliegen. In dieser Lamina liegen zahlreiche Interneurone, die Fasern aus unterschiedlichen Regionen miteinander vernetzen. Dadurch bildet diese Lamina eine Art Weiterleitungszentrum, in dem Informationen sortiert und an entsprechende Neurone übermittelt werden.
In Lamina IX findet man viele unterschiedliche Ansammlungen an Zellkörpern, wie Alpha- und Gamma-Motoneurone. Diese Neurone projizieren Informationen zu den Skelettmuskelfasern und den Muskelspindeln.
Zum Schluss bleibt noch die Lamina X. Diese umfasst das Areal um den Zentralkanal herum. Die Funktion dieser Lamina ist bis heute nicht bekannt. Man geht allerdings davon aus, dass diese Region eine Rolle in der autonomen Regulation, der viszeralen Nozizeption und der Integration somatosensorischer Informationen sowie der Modulation der Aktivität der Motoneurone spielt.
In dieser Abbildung siehst du die Laminae VII bis X und ihre Lage zueinander noch einmal im Überblick.
Als Letztes möchte ich dir noch zeigen, wie diese ganzen Strukturen der grauen Substanz die Form und die Größe des Rückenmarksquerschnitts auf verschiedenen Höhen beeinflussen. Die Größe der grauen Substanz ist abhängig von den Strukturen, die sie versorgt. Wenn du also an die ganzen Nuclei denkst, die wir uns heute angesehen haben, dann dürfte es dich nicht überraschen, dass die graue Substanz im Bereich der zervikalen und der lumbalen Verdickung am stärksten ausgeprägt ist. Hier werden die Extremitäten durch die laterale Gruppe des Vorderhorns versorgt.
Damit haben wir nun auch die wichtigsten Punkte zu den verschiedenen Laminae besprochen.
Sehen wir uns nun ein klinisches Fallbeispiel zu diesem Thema an.
Du hast bestimmt schon einmal etwas von der Poliomyelitis - oder kurz ‚Polio‘- gehört. Vielleicht kommt dir aber auch die Bezeichnung ‚Kinderlähmung‘ bekannter vor.
Die Poliomyelitis wird verursacht durch eine virale Infektion mit dem Poliovirus, die früher sehr gefürchtet war. Aufgrund der Entdeckung der Impfung in den 50er Jahren stellt sie heute allerdings keine große Bedrohung mehr dar. Durch den Einsatz der Impfung wurde die Krankheit weltweit fast komplett ausgerottet, sodass der letzte Fall in Deutschland im Jahre 1990 festgestellt wurde.
Warum sollten wir uns trotzdem noch damit beschäftigen? Da es noch keine vollständige Eradikation des Virus gab, kommt es in seltenen Fällen immer noch zur Kinderlähmung mit einem Befall und anschließender Zerstörung der Motoneurone im Vorderhorn der grauen Substanz. Wie du jetzt weißt, befinden sich genau hier die Nuclei, die für die Motorik zuständig sind.
Die Krankheit wird per Schmierinfektion übertragen. Hierbei wird der Erreger fäkal ausgeschieden und dann oral, zum Beispiel über verschmutztes Trinkwasser, von jemand anderem wieder aufgenommen.
Außerdem kann man sich auch über den Speichel einer infizierten Person anstecken.
Je nachdem, welches Spinalnervensegment betroffen ist, kommt es zu Muskelschwäche oder Lähmungserscheinungen, die meistens asymmetrisch auftreten. Die Muskelschwäche ist meistens das erste Symptom der Erkrankung, allerdings kann der Erreger auch über Jahre hinweg asymptomatisch im Körper verbleiben, und erst später das Krankheitsbild hervorrufen. Bis jetzt gibt es keine kurative Therapie für die Poliomyelitis. Man kann sie lediglich symptomatisch behandeln. Aus diesem Grund ist eine hohe Impfquote so wichtig.
Auf diesem Bild hier rechts siehst du zum Beispiel einen Mann, der eine Atrophie sowie eine Lähmung des rechten Beines und Fußes hat, die durch das Poliovirus hervorgerufen wurde. Wenn die Motoneurone nur beschädigt und nicht vollständig zerstört werden, dann erholen sie sich und die Funktion der betroffenen Muskeln kann nach wenigen Tagen wieder hergestellt werden. Kommt es allerdings zu einem Untergang der Motoneurone und der entsprechenden Nuclei, dann bleibt die Lähmung irreversibel und die Muskeln atrophieren. Dies liegt an der fehlenden Regenerationsfähigkeit der Neurone.
Fassen wir nun noch einmal zusammen, was wir in diesem Tutorial alles gelernt haben.
Wir haben mit einem Überblick über die anatomischen Merkmale des Rückenmarkquerschnitts begonnen. Diesen haben wir in die graue und in die weiße Substanz eingeteilt.
Dabei haben wir festgestellt, dass die graue Substanz vor allem aus Zellkörpern besteht, während die weiße Substanz vorwiegend aus den myelinisierten Axonen der Nervenzellen besteht.
Anschließend haben wir uns einige anatomische Referenzpunkte im Rückenmarksquerschnitt angeschaut. Dazu gehören die Fissura mediana anterior sowie das Septum medianum posterius, die das Rückenmark in zwei Hälften teilen.
Außerdem besitzt das Rückenmark noch mehrere Sulci: den Sulcus medianus posterior, den Sulcus posterolateralis, den Sulcus intermedius posterior sowie den Sulcus anterolateralis.
Weitere Referenzpunkte sind die Commissura alba anterior, die Commissura grisea und die Commissura alba posterior. Im Bereich dieser Comissurae kreuzen Nervenfasern von einer Seite des Rückenmarks auf die andere Seite.
Der Canalis centralis liegt im Zentrum des Rückenmarks.
Nach dieser kurzen Einführung haben wir uns mit der Einteilung der grauen Substanz in das Vorderhorn, das Hinterhorn und das Seitenhorn beschäftigt. Im Vorderhorn liegen die Motoneurone, die zu den Muskelfasern projizieren.
Im Hinterhorn befinden sich vor allem sensorische, also afferente, Neurone.
Das Seitenhorn ist lediglich in der thorakalen und der sakralen Region ausgebildet. Es ist Teil des vegetativen Nervensystems im Gegensatz zu den anderen beiden Rückenmarkshörnern, die Teil des somatischen, willkürlichen Nervensystems sind.
Außerdem haben wir uns die unterschiedlichen Zellgruppierungen der grauen Substanz angesehen, die als Nuclei bezeichnet werden. Die mediale Gruppe wird unterteilt in den Nucleus ventromedialis und den Nucleus dorsomedialis. Diese beiden Kerngebiete sind zuständig für die motorische Innervation der Hals- und Rumpfmuskulatur. Sie erstrecken sich über die gesamte Länge des Rückenmarks.
Bei der lateralen Gruppe werden drei Kerngebiete unterschieden: der Nucleus ventrolateralis, der Nucleus dorsolateralis und der Nucleus retrodorsolateralis.
Auch zu der zentralen Gruppe des Vorderhorns zählen drei Kerngebiete. Der Nucleus phrenicus erstreckt sich zwischen den Segmenten C3 und C5 und dient der Versorgung des Diaphragmas. Der Nucleus spinalis des Nervus accessorius liegt zwischen den Segmenten C1 und C5 und innerviert den Musculus trapezius sowie den Musculus sternocleidomastoideus. Der Nucleus lumbosacralis bildet den dritten und letzten Kern dieser Gruppe und ist in den Segmenten L2 bis S3 vorzufinden. Seine Funktion ist bis jetzt nicht bekannt.
Auch die Kerngebiete des Hinterhorns haben wir uns genauer angesehen. Dazu gehört unter anderem der Nucleus marginalis. Dieser ist über die gesamte Länge des Rückenmarks zu finden und leitet nozizeptive sowie thermale Informationen weiter.
Das Areal direkt ventral des Nucleus marginalis wird als Substantia gelatinosa bezeichnet. Sie erfüllt eine ähnliche Funktion wie der Nucleus marginalis und erstreckt sich ebenfalls entlang des gesamten Rückenmarks.
Noch etwas weiter ventral trifft man auf den Nucleus proprius, der sich über die gesamte Länge des Rückenmarks erstreckt. Er bildet den Ursprung des Tractus spinothalamicus lateralis.
Die Basis des Hinterhorns wird durch die Stilling-Clarke-Säule beziehungsweise den Nucleus dorsalis gebildet. Dieses Kerngebiet ist lediglich zwischen den Segmenten C8 und L3 zu finden. Seine Aufgabe besteht darin, propriozeptives Feedback aus der Peripherie zu empfangen. Außerdem bildet es den Ursprungsort des Tractus spinocerebellaris posterior.
In der Zona intermedia, also in dem Bereich zwischen Vorder- und Hinterhorn, befindet sich das Seitenhorn. Es enthält zwei Nuclei: den Nucleus intermediolateralis sowie den Nucleus intermediomedialis. Der Nucleus intermediolateralis erstreckt sich zwischen den Segmenten Th1 und L2. Hier entspringen präganglionäre, sympathische Fasern des autonomen Nervensystems. Zwischen den Segmenten S2 und S4 liegt der Nucleus intermediomedialis. Dieser bildet den Ursprungsort präganglionärer parasympathischer Fasern.
Zu guter Letzt haben wir uns noch mit der Einteilung der grauen Substanz in die Rexed-Laminae beschäftigt. Jede Hälfte des Rückenmarks besteht aus zehn dieser Laminae, die von posterior nach anterior nummeriert sind. In der Lamina I liegt der Nucleus marginalis, in der Lamina II die Substantia gelatinosa und in der Lamina III sowie der Lamina IV findet man den Nucleus proprius. Die Laminae I bis IV bilden den Kopf des Hinterhorns, während die Lamina V den Hals des Hinterhorns bildet. Die Basis des Hinterhorns wird von der Lamina VI gebildet, die für den sensorischen Teil des Reflexbogens für das schnelle Schmerzempfinden zuständig ist.
Die Lamina VII und die Lamina VI enthalten den Nucleus dorsalis posterior. Außerdem findet man in der Lamina VII die Kerngebiete des Seitenhorns. Die Lamina VIII ist je nach Höhe der einzelnen Spinalnervensegmente unterschiedlich ausgeprägt. Am stärksten ausgeprägt ist sie auf Höhe des Thorax. Sie beherbergt vor allem Interneurone. In Lamina IX findet man größtenteils Alpha- und Gamma-Motoneurone. Lamina X ist um den Canalis centralis herum gelegen.
Zum Schluss haben wir als klinisches Fallbeispiel die Poliomyelitis besprochen, bei der die Motoneurone der grauen Substanz geschädigt werden. Dies kann zu irreversiblen Lähmungen und Muskelatrophien führen.
Und damit sind wir am Ende dieses Tutorials angekommen. Vielen Dank für’s Zusehen und bis zum nächsten Mal!