Kniegelenk und Unterschenkel
In der deutschen Sprache unterscheiden sich die gängigen Begriffe für gewisse Körperteile häufig stark von ihren zugehörigen anatomischen Namen. Das Wort “Bein” wird zum Beispiel von vielen Menschen für fast die gesamte Gliedmaße unterhalb der Hüfte verwendet.
In der Anatomie müssen wir aber genauer vorgehen und die einzelnen Körperteile korrekt benennen. Das ist nicht nur der wissenschaftliche Anspruch, sondern beugt auch Verwechslungen vor.
Auf dieser Seite soll es also tatsächlich um einen Abschnitt des Beines gehen. Genauer gesagt, schauen wir uns hier die Anatomie des Knies und die des Unterschenkels genauer an.
Beim Unterschenkel unterscheiden wir die folgenden Strukturen:
Knochen des Unterschenkels |
Tibia: Der größere und medial gelegene Unterschenkelknochen, der sowohl an der Bildung des Kniegelenks als auch des Sprunggelenks beteiligt ist. Er ermöglicht Bewegungen des Unterschenkels und des Fußes und trägt das Körpergewicht. Fibula: Der dünnere und lateral gelegene Unterschenkelknochen, der nur an der Bildung des Sprunggelenks beteiligt ist. Er ermöglicht hauptsächlich die Fortbewegung. |
Kniegelenk |
Beteiligte Knochen: Femur, Tibia, Patella Teilgelenke: Art. femorotibialis, Art. femoropatellaris Menisken: Meniscus medialis, Meniscus lateralis Bänder: frontale Bänder, mediale und laterale Bänder, dorsale Bänder, Kreuzbänder Bursae: Bursa suprapatellaris, praepatellaris, infrapatellaris |
Muskulatur des Unterschenkels |
Anteriores Kompartiment (Extensorenloge): M. tibialis anterior, M. extensor hallucis longus, M. extensor digitorum longus, M. fibularis tertius Laterales Kompartiment (Fibularisloge): M. fibularis longus, M. fibularis brevis Posteriores Kompartiment: Oberflächliche Flexoren: M. gastrocnemius, M. soleus, M. plantaris Tiefe Flexoren: M. popliteus, M. tibialis posterior, M. flexor digitorum longus, M. flexor hallucis longus |
Tibia und Fibula
Die Tibia und die Fibula sind zwei Röhrenknochen, die parallel zueinander stehen und zusammen das Grundgerüst des Unterschenkels bilden. Sie sind außerdem Ansatzpunkt für diverse Muskeln in diesem Abschnitt des Beines.
Die Tibia, oder auch Schienbein genannt, ist der größere von den beiden Knochen. Sie liegt etwas medial von der Fibula. Du kannst die Vorderseite der Tibia gut tasten, wenn du einmal deinen Unterschenkel von vorne mit der Hand berührst. Wahrscheinlich denkst du aber beim Schienbein eher an die Male, an denen du es dir irgendwo angeschlagen hast?
Das Gewicht des Körpers wird im Stand vor allen Dingen auf die Tibia übertragen. Außerdem ist die Tibia direkt am Aufbau des Knie- und des oberen Sprunggelenks beteiligt und ermöglicht so diverse Bewegungen des Unterschenkels und des Fußes.
Die Fibula ist kleiner, dünner und befindet sich etwas weiter lateral als die Tibia. Schon aufgrund dieser Lage wird deutlich, dass sie nicht genauso viel Körpergewicht tragen kann wie die Tibia. Die Funktion der Fibula ist nämlich etwas differenzierter. Auch sie ist am Aufbau und der Bewegung des oberen Sprunggelenks beteiligt. Außerdem bildet sie einen wichtigen Ansatzpunkt für diverse Muskeln des Unterschenkels.
Darüber hinaus artikuliert die Fibula an zwei Stellen mit der Tibia: ein Stück distal unterhalb des Knies (proximales Tibiofibulargelenk) und etwas oberhalb des Fußgelenks (distales Tibiofibulargelenk). Diese beiden Gelenke werden von straffen Bändern umgeben, in Position gehalten und zusätzlich verstärkt. Dadurch werden abnormale Bewegungen an diesen Gelenken verhindert.
Kniegelenk
Knochen und Weichteile
Das Kniegelenk wird vom Femur, der Tibia, der Patella und einigen Bändern gebildet. Die Kondylen des Femurs und die der Tibia liegen beinahe direkt aufeinander und bilden hiermit den Hauptteil des Kniegelenks.
Kondylen sind Gelenkköpfe. Auf Deutsch werden sie auch Knorren genannt. Die Patella, auf Deutsch Kniescheibe, ist ein Sesambein, das in die Sehne des Musculus quadriceps femoris eingebettet ist. Sie schützt zum einen das Kniegelenk, fungiert außerdem als Umlenkrolle - wie auch andere Sesambeine - und erleichtert deshalb durch eine bessere Zugrichtung die Streckung im Kniegelenk.
Das Kniegelenk ist anatomisch gesehen echt komplex. Es besteht nämlich eigentlich aus zwei unterschiedlichen Gelenken innerhalb einer einzigen Gelenkkapsel:
- Articulatio femorotibialis (mediale und laterale Gelenkanteile) - zwischen den korrespondierenden Kondylen des Femurs und der Tibia
- Articulatio femoropatellaris - zwischen der Patella und dem Femur
Das Kniegelenk muss auf der einen Seite stark genug sein, um das Körpergewicht zu tragen. Auf der anderen Seite muss es flexibel genug sein, um Bewegungen überhaupt erst zu ermöglichen. Um beide Funktionen zu gewährleisten, befinden sich noch einige wichtige Weichteilstrukturen im und um das Kniegelenk herum.
Einige Fettkörper sorgen für Polsterung und die Bursae, also Schleimbeutel, die mit Gelenkflüssigkeit gefüllt sind, reduzieren die Reibung von Sehnen und Muskeln auf Knochen. Das Kniegelenk besitzt außerdem zwei Stoßdämpfer (die Menisken), die überdies auch für eine bessere Deckungsgleichheit der beiden aufeinanderliegenden Kondylen sorgen.
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Das Kniegelenk wird durch gleich mehrere Bänder stabilisiert. Dazu gehören das Ligamentum patellae, das Ligamentum collaterale tibiale, das Ligamentum collaterale fibulare und das Ligamentum popliteum obliquum.
Innerhalb des Kniegelenks liegen weitere wichtige Bänder: das Ligamentum transversum genus und die beiden Kreuzbänder - auf Latein Ligamentum cruciatum anterius (ACL) und Ligamentum cruciatum posterius (PCL). Diese intrakapsulären Bänder halten die Kniegelenkflächen gerade bei der Kniebeugung aufeinander. Bei Profisportlern kommt es gelegentlich zu Verletzungen dieser Kreuzbänder.
Gelenke | Articulatio femorotibiale (Condylus lateralis und Condylus medialis des Femurs + Tibiaplateau) Articulatio femoropatellare (Facies patellaris des Femurs + Facies articularis der Patella) |
Menisken | Meniscus medialis, Meniscus lateralis |
Bänder |
Frontale Bänder – stabilisieren die Patella: Ligamentum patellae(Verlängerung der Quadricepssehne), Retinaculum patellae (mediale et laterale) Mediale/laterale Bänder – verhindern ein Aufklappen des Kniegelenks: Ligamentum collaterale mediale (tibiale), Ligamentum collaterale laterale (fibulare) Dorsale Bänder – verhindern eine Überstreckung des Kniegelenks: Ligamentum popliteum obliquum, Ligamentum popliteum arcuatum Kreuzbänder – stabilisieren die Kniegelenkflächen des Femurs und der Tibia aufeinander: Ligamentum cruciatum anterius (ACL), Ligamentum cruciatum posterius (PCL) |
Gelenkkapsel | Außen Membrana fibrosa, innen Membrana synovialis; der Musculus popliteus zieht lateral in die Gelenkkapsel hinein |
Schleimbeutel | Bursa suprapatellaris, praepatellaris, infrapatellaris |
Muskeln
Bewegungen im Kniegelenk werden zum einen durch die ventralen Oberschenkelmuskeln hervorgerufen. Dazu gehören der Musculus sartorius und die vier Muskeln des Musculus quadriceps femoris (Musculus rectus femoris, Musculus vastus medialis, Musculus vastus intermedius und Musculus vastus lateralis). Sie alle bewirken eine Streckung des Unterschenkels im Kniegelenk. Sie werden durch den Nervus femoralis innerviert.
Die Antagonisten der ventralen Oberschenkelmuskulatur werden unter dem Begriff ischiokrurale Muskulatur zusammengefasst. Die ischiokrurale Muskulatur gehört somit also zur dorsalen Oberschenkelmuskulatur. Zu ihnen gehören der Musculus biceps femoris, der Musculus semitendinosus und der Musculus semimembranosus. Sie alle beugen den Unterschenkel im Kniegelenk und werden vom Nervus ischiadicus innerviert.
Muskulatur des Unterschenkels
Bisher ging es vor allem um das proximale Gelenk des Unterschenkels. Im Folgenden bewegen wir uns etwas nach distal und schauen uns die Muskeln des Unterschenkels an. Diese Muskulatur bewegt vor allem das distale Gelenk des Unterschenkels: das obere Sprunggelenk (Articulatio talocruralis). Die Unterschenkelmuskulatur kann in drei Kompartimente aufgeteilt werden:
- Anteriores Kompartiment
- Laterales Kompartiment
- Posteriores Kompartiment
Auf dieser Abbildung bekommst du einen guten Überblick über die Muskeln des Unterschenkels:
Die Extensorenloge ist die Muskelgruppe des vorderen (anterioren) Kompartiment. Zu ihr gehören insgesamt vier Muskeln:
- der Musculus tibialis anterior,
- der Musculus extensor hallucis longus und
- der Musculus extensor digitorum longus.
- der Musculus fibularis tertius
Sie alle werden vom Nervus fibularis profundus innerviert. Zu ihren Funktionen gehören die Dorsalextension, die Inversion und die Eversion des Fußes im Sprunggelenk. Zwei von ihnen strecken außerdem die Zehen.
Die Fibularisloge des Unterschenkels bildet das laterale Kompartiment. Zu ihr gehören lediglich zwei Muskeln:
Ihre Funktion ist gar nicht mal so einfach zu verstehen, wenn man ihren Verlauf nicht kennt. Beide Muskeln bewirken nämlich eine Plantarflexion und eine Eversion des Fußes. Innerviert werden sie beide vom Nervus fibularis superficialis.
Zum Schluss schauen wir uns auch noch das dritte, das posteriore Muskelkompartiment des Unterschenkels an. Es ist das größte der drei Kompartimente. Insgesamt liegen hier 7 Flexoren in zwei Schichten.
Die oberflächlichen Flexoren sind der Musculus gastrocnemius, der Musculus soleus und der Musculus plantaris (zusammen bilden sie den Musculus triceps surae). Zu den tiefen Flexoren gehören ein paar mehr: der Musculus popliteus, der Musculus tibialis posterior, der Musculus flexor digitorum longus und der Musculus flexor hallucis longus.
Alle diese sieben Muskeln befinden sich auf der Rückseite des Unterschenkels und führen bei Kontraktion zu einer Plantarflexion im oberen Sprunggelenk. Einige von ihnen unterstützen außerdem die Inversion und die Flexion der Zehen. Innerviert werden sie alle vom Nervus tibialis. Der Musculus gastrocnemius und der Musculus plantaris können den Unterschenkel darüber hinaus bei einer Kontraktion im Kniegelenk beugen. Das kommt daher, dass sie beide ihren Ursprung am Femur haben.
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Vielleicht schrecken dich jetzt auf den ersten Blick all diese Begriffe eher ab? Wir möchten dir aber Mut machen, dich Schritt für Schritt an sie zu gewöhnen. Du wirst sehen, dass es dir mit der Zeit leichter fallen wird, sie zu behalten. Schau dir dazu doch einmal die folgende Lerneinheiten an und teste dein Wissen dort. Dann wirst du sehen, an wieviel du dich schon erinnern kannst.
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