Schritt für Schritt zur Röntgen-Thorax-Befundung
Die Röntgenaufnahme des Brustkorbs, auch Röntgen-Thorax genannt, ist eines der am häufigsten genutzten Verfahren in der bildgebenden Diagnostik. Bei Verdacht auf Pathologien im Thoraxbereich kommt es meist als Erstes zum Einsatz. Für eine endgültige Diagnose reicht der Röntgen-Thorax jedoch nicht immer aus, sodass weitere diagnostische Verfahren, wie beispielsweise Labordiagnostik, die körperliche Untersuchung und zusätzliche bildgebende Verfahren herangezogen werden müssen.
Durch eine Röntgenröhre werden Röntgenstrahlen erzeugt, die den vor der Röhre platzierten Körper durchdringen. Die Strahlen treten auf der anderen Seite der Patient:innen wieder aus und werden dort von einem Röntgendetektor registriert. Je nach Art und Dichte des Gewebes werden die Röntgenstrahlen unterschiedlich stark absorbiert und treffen anschließend abgeschwächt auf den Detektor. Die verschiedenen Gewebe erscheinen daher in unterschiedlichen Graustufen auf dem Röntgenbild und erlauben so eine differenzierte Unterscheidung der einzelnen Strukturen. Luft absorbiert keine Strahlung und lässt diese ungehindert auf den Röntgendetektor treffen. Daher erscheint Luft im Röntgenbild schwarz. Gewebe mit sehr hoher Dichte absorbieren die Strahlung stark, sodass beispielsweise Knochen im Röntgenbild weiß erscheinen. Andere Gewebearten wie Organe oder Muskeln haben im Vergleich zu Knochen eine geringere Dichte und werden in unterschiedlichen Grautönen dargestellt.
Bestimmung der Projektion |
p.a.-Projektion (posterior-anterior): Bei dieser Standardaufnahme sitzen Patient:innen oder stehen aufrecht in einem Abstand von ungefähr zwei Metern vor der Strahlenquelle. Das Gesicht ist zum Röntgendetektor gewandt. Der Strahlengang erfolgt hier im Bezug auf den Körper von hinten nach vorne. l.l.-Projektion (lateral): Patient:innen sitzen oder stehen aufrecht mit erhobenen Armen und drehen sich um 90 Grad, sodass die linke oder rechte Flanke zum Detektor gewandt ist. Der Strahlengang erfolgt hier von einer Körperseite zur anderen. a.p.-Projektion (anterior-posterior): Diese Aufnahme kommt meist bei bettlägerigen Patient:innen zum Einsatz. Patient:innen liegen in Rückenlage auf dem Detektor, sodass die Strahlen sie von vorne nach hinten durchdringen. |
Beurteilung der Bildqualität |
Rotation: Liegen die medialen Enden der Schlüsselbeine in einer Ebene mit den Dornfortsätzen der Wirbelsäule, so war der Oberkörper bei Aufnahme optimal gerade positioniert und es liegt keine Verdrehung (Rotation) des Thorax vor. Inspirationstiefe: Zähle die in den Lungenfeldern zu sehenden posterioren Rippen oberhalb des Zwerchfells. Bei optimaler Inspirationstiefe projiziert die rechte Zwerchfellkuppel auf die dorsalen Anteile der 10.-11. Rippe, oder auf die ventralen Anteile der 5.-6. Rippe. Penetration (Belichtung): Beim optimal belichteten Röntgenbild sollten die Konturen der Wirbelkörper hinter dem Herzen erkennbar sein. Merkhilfe: RIP |
Systemische Befundung |
A (“Air”) Beurteilung der Atemwege und Lungenspitzen B (“Bones”) Beurteilung der knöchernen Strukturen C (“Cardiac shadow”) Beurteilung des Herzschattens D (“Diaphragm”) Beurteilung des Zwerchfells E (“Edges”) Begrenzungen, Ergüsse, Extrathorakales Gewebe F (“Foreign bodies”) Fremdkörper G (“Gastric bubble, Great vessels”) Beurteilung der Magenblase und der großen Gefäße H (“Hilus”) Beurteilung des Lungenhilus I (“Impression”) Gesamteindruck Merkhilfe: ABCDEFGHI |
- Schritt 1: Bestimmung der Projektion
- Schritt 2: Beurteilung der Bildqualität
- Schritt 3: Systematische Herangehensweise
- Klinik
- Literaturquellen
Schritt 1: Bestimmung der Projektion
Zu Beginn einer Röntgenbefundung sollte als Erstes die Projektion bestimmt werden, also die Position der Patient:innen zur Röntgenröhre und daraus folgend der Verlauf der Röntgenstrahlen in Bezug auf die Patient:innen. Beim Röntgen-Thorax gibt es folgende Projektionen:
- p.a.-Projektion (posterior-anteriore Projektion)
- l.l.-Projektion (laterale Projektion)
- a.p.-Projektion (anteroposterior)
Diese Begriffe beziehen sich auf die Position der Patient:innen und beschreiben die Richtung, in welche die Röntgenstrahlen den Körper zum Detektor hin durchdringen.
Als Standard gilt die p.a.-Projektion: Patient:innen sitzen oder stehen aufrecht in einem Abstand von ungefähr zwei Metern mit dem Rücken vor der Strahlenquelle und sind dem Detektor auf der gegenüberliegenden Seite mit dem Gesicht zugewandt, sodass die Röntgenstrahlen den Körper von hinten nach vorne durchdringen. Die Aufnahme wird in maximaler Inspirationsstellung durchgeführt. Patient:innen atmen also tief ein, sodass ihre Lungen maximal entfaltet sind.
Für die linke, laterale (l.l.-) Projektion sitzen oder stehen Patient:innen aufrecht mit erhobenen Armen und drehen sich um 90 Grad, sodass die linke Körperhälfte dem Detektor zugewandt ist. Die Röntgenstrahlen durchdringen so den Körper seitlich von rechts nach links.
Bei Patient:innen, die bettlägerig sind oder aus anderen Gründen nicht in der Lage sind aufrecht zu sitzen oder zu stehen, kommen mobile Röntgengeräte zum Einsatz, die Aufnahmen am Patientenbett ermöglichen.
Bei der sogenannten a.p.-Projektion liegen Patient:innen mit dem Rücken auf dem Röntgendetektor, sodass die Röntgenstrahlen den Körper von vorne nach hinten durchdringen. Für eine genaue Diagnosestellung sind a.p.-Aufnahmen im Vergleich mit anderen Projektionen weniger aufschlussreich. Das liegt unter anderem daran, dass bettlägerige Patient:innen oft nicht in der Lage sind, ausreichend tief einzuatmen. Hierdurch wird die maximale Entfaltung der Lungen eingeschränkt. Dies beeinträchtigt die Darstellung und Beurteilung des Lungengewebes und möglicher Pathologien. Ein anderes wichtiges Merkmal der a.p.-Projektion ist die vergrößerte Abbildung des Herzens und des Mediastinums.
Folgendes Beispiel veranschaulicht, warum das Herz bei a.p-Aufnahmen größer erscheint. Stell dir vor, du hältst eine Taschenlampe so in der Hand, dass der Lichtkegel auf eine Wand gerichtet ist, die etwa einen Meter entfernt ist. Halte nun einen Stift vor die Taschenlampe, sodass er einen Schatten auf dieser Wand erzeugt. Wenn du den Stift direkt vor die Taschenlampe hältst, ist der Schatten eher groß oder klein? In diesem Fall ist der vom Stift erzeugte Schatten nicht nur groß, sondern auch deutlich größer als das eigentliche Ausmaß des Stifts. Stelle dir nun vor, du hältst den Stift so weit weg von der Taschenlampe wie möglich, sodass er sich direkt vor der Wand befindet. Jetzt ist der Schatten des Stifts deutlich kleiner als die tatsächliche Stiftgröße.
Das gleiche Prinzip, das für den Schatten des Stifts an der Wand gilt, lässt sich auf die Abbildung des Herzens im Röntgenbild bei einer a.p-Aufnahme übertragen. Anatomisch gesehen liegt das Herz in der vorderen Brusthöhle. Wenn eine Person nun mit dem Brustkorb zur Röntgenröhre gewandt positioniert ist, befindet sich das Herz sehr viel näher an der Quelle der Röntgenstrahlen und dementsprechend auch weiter entfernt vom Detektor. Dreht sich die Person nun aber um 180 Grad, sodass der Brustkorb dem Detektor zugewandt ist, liegt das Herz nun weiter entfernt von der Strahlenquelle und sehr viel näher am Detektor. Betrachtet man das Licht der Taschenlampe als Metapher für die Röntgenstrahlen und den Stift als Metapher für das Herz, so wird deutlich, dass der vom Herzen erzeugte Schatten auf der Abbildung des Röntgenbildes vergrößert dargestellt wird, wenn die Strahlen den Körper der Patient:innen von vorne nach hinten durchdringen.
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Vielleicht fühlst du dich angesichts der vielen Informationen etwas überfordert. Lass uns daher erst einmal klären, wie man überhaupt erkennt, ob es sich bei einem vorliegenden Röntgenbild um eine p.a.- oder a.p.-Aufnahme handelt. Möglicherweise besteht bei den Patient:innen eine Kardiomegalie, wie kann man da auf den ersten Blick feststellen, ob es sich um einen vergrößerten Herzschatten handelt oder ob das Herz tatsächlich vergrößert ist? Hier können wir dich beruhigen: In Krankenhäusern werden die Röntgenaufnahmen normalerweise beschriftet. Das geschieht entweder auf der Abbildung selbst oder im zugehörigen Bericht, besonders bei a.p.-Aufnahmen, die mit einem mobilen Röntgengerät angefertigt wurden.
Schritt 2: Beurteilung der Bildqualität
Bei der Beurteilung eines Röntgen-Thorax müssen viele Aspekte beachtet werden. Dafür sind Merkhilfen besonders hilfreich. Um die Qualität eines Röntgenbildes zu bewerten, kannst du die Merkhilfe R.I.P. verwenden: Rotation, Inspiration und Penetration.
Rotation
Um zu beurteilen, ob Patient:innen in gerader Position, also nicht mit dem Oberkörper zum Detektor verdreht (rotiert) geröntgt wurden, sollten die medialen Enden der Schlüsselbeine in einer Ebene mit den Dornfortsätzen der Wirbelsäule auf der Aufnahme zu erkennen sein. Außerdem sollten die Abstände zwischen den medialen Enden des linken und rechten Schlüsselbeins und der Dornfortsätze möglichst gleich sein.
War der Oberkörper bei der Röntgenaufnahme nach rechts rotiert, so wird der Abstand zwischen dem medialen Ende des rechten Schlüsselbeins und den Dornfortsätzen größer dargestellt, als der Abstand zwischen dem medialen Ende des linken Schlüsselbeins und den Dornfortsätzen. War der Oberkörper links verdreht, so verhält es sich umgekehrt: Der Abstand zwischen dem linken Schlüsselbein und den Dornfortsätzen wird vegrößert dargestellt.
Inspiration
Idealerweise sollte die Röntgenaufnahme bei maximaler Inspirationstiefe der Patient:innen durchgeführt werden (die Lungen sollten also maximal mit Luft gefüllt und voll entfaltet sein). Ob dies der Fall ist, kann durch das Zählen der in den Lungenfeldern zu sehenden posterioren Rippen in Erfahrung gebracht werden. Wenn Patient:innen sich beim Einatmen Mühe geben, sie also einen tiefen Atemzug nehmen und für die Dauer der Aufnahme angehalten haben, sollten im Röntgenbild ungefähr 10 Rippen über dem Zwerchfell zu sehen sein.
Penetration (Belichtung des Röntgenbildes)
Die Penetration (Bеlichtung) beschreibt die Strahlenmenge, welche sich aus Strahlenenergie und Strahlenintensität ergibt. Sie wirkt während der Aufnahme auf den darzustellenden Körper ein und sorgt im Idealfall für eine Röntgenaufnahme mit deutlich erkennbaren Strukturen. Bei einer optimal belichteten Aufnahme sind die Wirbelkörper hinter dem Herzen kaum zu sehen und das Zwerchfell kann bis zum Rand der Wirbelsäule nachverfolgt werden.
Schritt 3: Systematische Herangehensweise
Nachdem die Bildqualität beurteilt wurde, kann man mit der Befundung beginnen. Hierbei ist es wichtig, jeden Bereich des Röntgenbildes nach einer möglichen Pathologie abzusuchen. Werden mögliche pathologische Veränderungen übersehen, so kann das zu einer falschen Diagnosestellung führen und Patient:innen schaden. Deswegen sollte jede Bildbefundung systematisch und nach einem festen Schema erfolgen.
Lufträume, Atemwege, Lungenspitzen
Worauf würdest du als Erstes achten, wenn du dir ein Röntgenbild anschaust? Wenn dir zuerst die Lungen in den Sinn kommen, dann liegst du damit schon sehr richtig. Denn ein Verdacht auf Pathologien der Lunge ist einer der häufigsten Gründe für die Anforderung eines Röntgen-Thorax. Da Luft auf Röntgenaufnahmen dunkel erscheint, sollten gesunde Lungen auch genauso aussehen. Da die Lungen kein luftgefüllter Hohlraum sind und sich natürlich auch etwas Gewebe in ihnen befindet, sollten sie nicht ausschließlich schwarz, aber überwiegend dunkel erscheinen.
Wenn die Lungen dichtere (also heller erscheinende) Bereiche aufweisen, dann solltest du dem nachgehen. Tauchen diese sogenannten Verschattungen in einem bestimmten Areal der Lunge begrenzt auf oder sind sie diffus, also über das gesamte Lungenfeld verteilt? Reichen sie bis in das Zwerchfell hinein? Vergleiche das dir vorliegende Röntgenbild mit der Krankenvorgeschichte und den körperlichen Befunden der Patient:innen.
Stellen sich Patient:innen mit Husten, Fieber und Kurzatmigkeit vor und zeigt das Röntgenbild eine Verschattung in einem der Lungenlappen, so könnte eine Pneumonie vorliegen.
Ist in der Röntgenaufnahme eine scharf begrenzte Verschattung in einer der Lungenflügel zu sehen und Patient:innen sind von Husten und Gewichtsverlust betroffen, so handelt es sich dagegen eher um einen malignen Prozess, also beispielsweise einen bösartigen Tumor.
Wenn die Lungen der Patient:innen diffuse Verschattungen aufweisen, die dem Gefäßsystem folgen und bis in die Peripherie der Lungen sichtbar sind, deutet dies auf einen intravasalen Blutstau hin, dem eine Herzinsuffizienz zugrunde liegen könnte. Schau dir auch die Fissuren, also die Grenzlinien zwischen den einzelnen Lungenlappen an und achte hier auf Verdickungen oder übermäßige Flüssigkeitsansammlungen.
Auch wenn keine Verschattungen erkennbar sind, kann es sich trotzdem um anderweitige Pathologien in der Lunge handeln. Leiden Patient:innen beispielsweise unter einem Emphysem, sehen die Lungen in der Röntgenaufnahme auf dem ersten Blick dunkel und klar aus, bei genauerem Hinsehen könnten sie aber auch dunkler als gewöhnlich erscheinen. Dabei handelt es sich dann um eine beim Emphysem auftretende übermäßige Ansammlung von Atemluft (“Air trapping”) in den distalen Abschnitten der Atemwege und der Lungenbläschen (Alveolen).
Du solltest außerdem nach Bereichen mit besonders hoher Transparenz (also besonders dunkel erscheinende Bereiche) Ausschau halten: Gibt es eine dunklere Blase im Apex, also in der Lungenspitze, die möglicherweise eine rupturierte, mit Luft gefüllte Blase an der Lungenoberfläche (“Bleb”) oder im Lungengewebe liegende Lufthöhlen (“Bullae”)? Solche Luftansammlungen können erste Anzeichen eines Pneumothorax (freie Luft in der Brusthöhle) sein. Ist ein Pneumothorax groß genug, kann dieser sogar ein Zusammenfallen der Lunge verursachen. Dabei verlagern sich die Grenzen der in sich zusammengefallenen Lunge weiter in Richtung Mittellinie des Brustkorbs, während der Bereich, welcher den kollabierten Lungenflügel umgibt besonders dunkel erscheint, da sich hier nur Luft aber kein Lungengewebe mehr befindet.
Ebenso wichtig ist die Betrachtung der Luftröhre (Trachea): Normalerweise sollte sie mittig liegen. Sollte das nicht der Fall sein, suche nach Fremdkörpern in den Bronchien, einer Mittellinienverlagerung anderer mediastinaler Strukturen oder Anzeichen für Atelektasen (kollabierte Lungenabschnitte). Betrachte auch den Lungenhilus, das ist der Bereich, in dem sich die Trachea aufteilt und so den rechten und linken Hauptbronchus bildet. Haben Patient:innen eine bilaterale hiläre Lymphadenopathie, also beidseits vergrößerte Lymphknoten, so sollten dir diese als verdichtete und vergrößerte Hili auf dem Röntgenbild auffallen.
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Knochen
Für die Beurteilung der knöchernen Strukturen ist einer der wichtigsten Aspekte die Symmetrie: Sollten Asymmetrien zwischen den Knochen auf der linken und rechten Seite der Patient:innen zu sehen sein, kannst du davon ausgehen, dass etwas nicht ganz stimmt.
Achte beim Betrachten der Knochen auch auf Läsionen: gibt es Bereiche, die ungleichmäßig oder fleckig aussehen? Ein heller, fleckiger Bereich kann auf einen vorangegangen, schon verheilten Bruch mit restrukturiertem, sklerotischem Knochengewebe hinweisen. Dieses neu gebildete Gewebe wird als Kallus bezeichnet und ist im Röntgenbild als Verdickung über dem ehemaligen Bruchspalt zu erkennen. Kallusgewebe bildet sich allerdings nur im Rahmen der sekundären Knochenheilung, also wenn die Bruchenden voneinander abweichen. In diesem Fall entsteht ein Bruchspalt, der durch Kallusgewebe überbrückt wird. Um einen frischen Knochenbruch erkennen zu können, sollte auf Frakturzeichen im Röntgenbild geachtet werden. Zu diesen gehören der Kortikalisdefekt, eine Unterbrechung der äußeren Knochenkontur und die Achsabweichung, also eine Änderung der normalen Achse und Ausrichtung des Knochens. Der Frakturspalt ist ein weiteres Frakturzeichen.
Dunklere Bereiche im Knochen können auf osteolytische Läsionen hinweisen, wie sie beispielsweise bei Störungen des Knochenstoffwechsels oder im Rahmen von Tumoren auftreten können. Hellere Bereiche im Knochen hingegen, deuten auf eine punktuelle Verdichtung der Knochensubstanz hin und können im Rahmen von Knochentumoren und Knochenmetastasen auftauchen.
Um die vorliegenden Befunde diagnostisch genauer einzuordnen zu können, ist es hilfreich, sich die Krankenvorgeschichte der Patient:innen genauer anzusehen.
Herzschatten
Bei der Beurteilung des Herzens solltest du als Erstes immer dessen Lage beschreiben. Das erscheint dir vielleicht etwas zu simpel, nachdem dir vermutlich oft genug beigebracht wurde, dass das Herz vorwiegend in der linken Thoraxhälfte liegt. Aber es ist wichtig zu wissen, dass dies nicht bei allen Patient:innen der Fall ist! Es gibt tatsächlich Menschen, bei denen sich das Herz in der rechten Thoraxhälfte befindet. Diesen Zustand nennt man Dextrokardie (dexter ist lateinisch und bedeutet rechts). Dieses Phänomen kann isoliert auftreten, dann ist es also nur das Herz, das sich auf der entgegengesetzten Seite befindet, es können aber auch die gesamten restlichen Organe betroffen sein, sodass diese im Vergleich zum Normalbefund gespiegelt lokalisiert sind. Die Leber befindet sich dann also auf der linken statt auf der rechten Seite, der Magen und die Milz auf der rechten statt auf der linken, und so weiter. Ist dies der Fall, so spricht man von einem Situs inversus - eine anatomische Anomalie, die du auf keinen Fall übersehen solltest!
Im nächsten Schritt solltest du die Größe des Herzens beurteilen. In einer Standard p.a.-Aufnahme sollte die Breite des Herzens, beziehungsweise die Breite des Herzschattens (der Schatten, den das Herz auf der Röntgenaufnahme erzeugt) weniger als 50% des Thoraxdurchmessers betragen. Sollte er größer sein, könnten Patient:innen aufgrund einer zugrunde liegenden Pathologie eine Herzvergrößerung (Kardiomegalie) aufweisen. Bei a.p.-Aufnahmen allerdings erscheint auch ein normal großes Herz immer vergrößert.
Sieh dir bei der Beurteilung des Herzens und der großen Gefäße auch das Mediastinum an. Ist es zum Beispiel vergrößert oder vergleichsweise breiter, könnte es sich dabei um einen Tumor, ein Aortenaneurysma (Dilatation) oder eine Aortendissektion handeln.
Zwerchfell
Auch das Zwerchfell kann dir wichtige Informationen über den Gesundheitszustand von Patient:innen liefern. Normalerweise sind die beiden Zwerchfellkuppeln gewölbt. Die rechte Kuppel steht aufgrund seiner Lage direkt über der Leber etwas höher. Wenn das Zwerchfell abgeflacht aussieht, könnten Patient:innen an chronischem Asthma oder an einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) leiden. Halte zudem unbedingt Ausschau nach freier Luft unter dem Zwerchfell - dies ist ein Zeichen für eine Magen- oder Darmperforation und gilt als chirurgischer Notfall.
Begrenzungen, Ergüsse, extrathorakales Gewebe
Bei der Auswertung eines Röntgen-Thorax ist es auch wichtig, die beiden Zwerchfellwinkel (Recessus costodiaphragmatici) zu beurteilen. Bei abgeflachten Zwerchfellwinkeln erscheinen diese nicht mehr scharf begrenzt. Die Ränder sind nicht mehr deutlich zu erkennen, sondern erscheinen vielmehr gräulich-verschwommen. Dies kann auf eine Flüssigkeitsansammlung zwischen Pleura und Lungengewebe (Pleuraerguss) hinweisen. Pleuraergüsse sind manchmal nicht auf den ersten Blick zu erkennen, daher ist es wichtig, immer genau hinzuschauen. Gerade kleinere, posterior gelegene Ergüsse können auf einer lateralen Röntgenaufnahme oft leichter entdeckt werden als auf einer p.a.-Aufnahme.
Fremdkörper
Du solltest nie vergessen, den Thorax auf der Röntgenaufnahme auch nach Fremdkörpern abzusuchen. Oft haben Patient:innen Schläuche oder anderes medizinisches Material, wie zum Beispiel Nasen- oder Magensonden oder auch EKG-Kabel in beziehungsweise an ihrem Körper. Vergewissere dich immer, dass du nichts davon übersiehst und notiere dir, was und wo sich etwas befindet und ob es dort richtig platziert ist.
Magenblase, große Gefäße
Sieh dir auch die Magenblase an: Ist sie sichtbar und wenn ja, befindet sie sich in ihrer normalen Lage auf der linken Seite des Körpers? Falls nicht, notiere dies im Befund und suche nach möglichen Ursachen. Wenn du dir bei der Beurteilung der kardialen Strukturen nicht schon die großen Gefäße mit angeschaut hast, dann ist jetzt der richtige Zeitpunkt dafür.
Hilum
Wenn du die Lungenhili untersuchst, die Lungenbasis, welche die Gefäße, Bronchien und Lymphgefäße enthält, suche auch nach eventuell vorliegenden Lymphadenopathien, Verkalkungen oder, wie schon im Abschnitt über die Beurteilung der Lungenfelder erwähnt, nach Tumoren oder anderen Verdichtungen des Gewebes.
Gesamteindruck
Zu guter Letzt erstellst du eine abschließende Zusammenfassung deiner Ergebnisse. Diese sollten jeden Befund berücksichtigen und die signifikanten Merkmale besonders hervorheben, insbesondere diejenigen, die mit der aktuellen Krankengeschichte der Patient:innen in Bezug auf ihre Symptome und körperlichen Befunde korrelieren.
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Klinik
Der Pneumothorax ist ein Krankheitsbild, bei dem Luft in den Pleuraspalt zwischen die beiden Pleurablätter (Pleura visceralis und parietalis) eindringt. Physiologischerweise herrscht im Pleuraspalt, der sich zwischen den beiden Pleurablättern befindet, ein Unterdruck. Dieser bewirkt, dass die Lungen den Atembewegungen des Brustkorbs folgen und sich bei Inspiration voll entfalten können. Der intrapleurale Unterdruck wirkt so einem Zusammenfallen der Lunge entgegen. Gelingt Luft in den Pleuraspalt, beispielsweise durch eine Verletzung von außen oder durch einen inneren Riss des Lungengewebes, so wird der Unterdruck aufgehoben und die Lunge kollabiert, sodass eine normale Belüftung nicht mehr gewährleistet ist.
Klassische Symptome eines Pneumothorax sind plötzlich einsetzende Atemnot sowie atemabhängige, stechende Schmerzen auf der betroffenen Brustkorbseite.
Es gibt je nach Ursache unterschiedliche Formen des Pneumothorax. Am häufigsten tritt der Spontanpneumothorax auf. Er ist meist bei jungen, gesunden Männern durch eine plötzlich auftretende Verletzung des Lungengewebes zu beobachten. Diese Form des Pneumothorax kann symptomarm aber auch gänzlich asymptomatisch verlaufen.
Im Zuge äußerer Gewalteinwirkung wie Rippenfrakturen, Stichverletzungen aber auch stumpfer Gewalt gegen den Brustkorb kann ein traumatischer Pneumothorax entstehen.
Eine potentiell lebensbedrohliche Form des traumatischen Pneumothorax ist der Spannungspneumothorax. Bei jedem Einatmen dringt die Luft wie bei einem Rückschlagventil in den Pleuraspalt ein, kann jedoch nicht wieder entweichen. Hierdurch sammelt sich Luft im Pleuraspalt an und übt Druck auf die Lunge sowie das Herz und seine Gefäße aus. Zusätzlich zu den klassischen Symptomen können beim Spannungspneumothorax gestaute Halsvenen sowie eine Schocksymptomatik mit erhöhter Herzfrequenz und Blutdruckabfall auftreten und zum Kreislaufstillstand führen.
Diagnostisch wird neben der Anamnese sowie der körperlichen Untersuchung bevorzugt ein Röntgen-Thorax in zwei Ebenen herangezogen. Typischerweise zeigt die Aufnahme im Bereich der Luftansammlung eine erhöhte Strahlentransparenz. Dieser Bereich erscheint also dunkler und ohne die für das Lungengewebe typische Gefäßzeichnung. Auf der betroffenen Seite verläuft die Pleura nicht, wie normalerweise, entlang der inneren Konturen des Brustkorbs. Stattdessen lässt sich die Pleura visceralis als feine Linie (“Pneulinie”) erkennen. Sie erscheint von der inneren Brustwand gelöst und verläuft durch den Thoraxraum. Bei einem Spannungspneumothorax können aufgrund des hohen Drucks die mediastinalen Strukturen, wie Herz und Luftröhre,zur kontralateralen Seite verschoben sein.
Als zusätzliche apparative Diagnostik kann eine Ultraschalluntersuchung der Lunge erfolgen. Hier zeigt sich eine fehlende atemabhängige Bewegung der Lunge und Pleura auf der betroffenen Seite. Bei diagnostischer Unklarheit kann auch ein Thorax-CT hinzugezogen werden, in dem wie auch beim Röntgen-Thorax, die Pleura visceralis deutlich vom luftgefüllten Raum abgrenzbar sichtbar wird.
Ein symptomfreier einseitiger Spontanpneumothorax resorbiert sich in der Regel von selbst und kann konservativ behandelt werden. Ein Spannungspneumothorax hingegen ist ein Notfall, der schnellstmöglich durch die Anlage einer Thoraxdrainage entlastet werden muss, um die angesammelte Luft im Pleuraspalt entweichen zu lassen und eine Druckentlastung herbeizuführen. Bei diesem chirurgischen Eingriff wird von außen ein Schlauch in den Pleuraspalt gelegt, sodass die freie Luft mithilfe eines Vakuums entweichen kann. Hierdurch kann sich die Lunge wieder entfalten, die beiden Pleurablätter können sich aneinanderlegen und der physiologische Unterdruck im Pleuraspalt wird wiederhergestellt.
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