Schluckvorgang (Deglutition)
Schlucken oder Deglutition ist ein komplexer Reflexmechanismus, durch den Nahrung aus der Mundhöhle in die Speiseröhre (Ösophagus) und in den Magen gelangt.
Diese Bewegung der Nahrung aus der Mundhöhle in die Speiseröhre und den Magen wird als Propulsion bezeichnet und ist ein wichtiger Teil des Verdauungsprozesses.
Dieser Artikel gibt einen Überblick über die Physiologie des Schluckens und beschreibt die verschiedenen Phasen, die während des Schluckvorgangs durchlaufen werden.
Orale Phase | Speisebrei wird zum Bolus verarbeitet und wandert von der Mundhöhle in den Oropharynx; willkürlicher Vorgang |
Pharyngeale Phase | Bolus wandert vom Oropharynx in die Speiseröhre; unwillkürlicher Vorgang |
Ösophageale Phase | Bolus wird durch peristaltische Bewegungen von der Speiseröhre in den Magen befördert; unwillkürlicher Vorgang |
Überblick
Um den Schluckvorgang zu verstehen, muss zunächst der Verdauungsprozess verstanden werden. Das Verdauungssystem besteht aus Organen, die in zwei Gruppen eingeteilt werden können: den Verdauungstrakt (oder Magen-Darm-Trakt) und das akzessorische Verdauungssystem. Jedes dieser Organe hat eine bestimmte Funktion und arbeitet mit den anderen Organen des Verdauungssystems zusammen, um die Nahrung zu verarbeiten. Dabei sind sechs wesentliche Prozesse involviert:
- Ingestion: Aufnahme von Nahrung in die Mundhöhle.
- Propulsion: Bewegung der Nahrung durch den Verdauungskanal, einschließlich Schlucken und Peristaltik.
- Mechanische Verdauung: einschließlich Kauen, Aufwirbeln und Durchmischen der Nahrung im Magen und Segmentierung.
- Enzymatische Verdauung: Aufspaltung komplexer Nahrungsmoleküle in ihre chemischen Bestandteile durch sezernierte Enzyme.
- Resorption: Aufnahme der verdauten Produkte (Kohlenhydrate, Proteine, Fette, aber auch Vitamine, Mineralien und Wasser) aus dem Verdauungskanal in das Blut oder die Lymphe.
- Defäkation: Ausscheidung unverdaulicher Stoffe aus dem Körper.
Phasen des Schluckens
Der Schluckvorgang ist ein wesentlicher Teil des Verdauungsprozesses. Die Nahrung wird zunächst in den Mund aufgenommen und dann im Mund durch Kauen, Zungenbewegungen und Speichelsekretion zerkleinert, bis sie zu einem Bolus, einer weichen Masse, wird. Der Nahrungsbolus ist so weich, dass er leicht geschluckt und durch den Verdauungskanal befördert werden kann.
Sobald die Nahrung geschluckt ist, gelangt sie vom Mund in den Oropharynx, den Laryngopharynx und anschließend über die Speiseröhre in den Magen. Die Nahrung wird dabei durch peristaltische Bewegungen vorangetrieben. Dabei handelt es sich um wellenförmig verlaufende Kontraktions- und Entspannungsphasen der glatten Muskulatur, die den Verdauungstrakt umgibt. Die Kontraktion findet vor dem Bolus statt, um ihn voranzutreiben, während sich die Muskeln hinter dem Bolus entspannen, um dem Bolus Platz zum Passieren zu geben.
Dieser komplexe Schluckvorgang erfordert die Koordination von 22 verschiedenen Muskelgruppen, die die Mundhöhle, den Rachen und die Speiseröhre umgeben. Das Schlucken wird in drei wesentliche Phasen unterteilt:
- Orale Phase: willkürliche Bewegung des Bolus von der Mundhöhle in den Oropharynx.
- Pharyngeale Phase: Bewegung des Bolus vom Oropharynx in die Speiseröhre (unwillkürlicher Vorgang).
- Ösophageale Phase: Bewegung des Bolus durch die Speiseröhre in den Magen (unwillkürlicher Vorgang).
Orale Phase
Die orale Phase, auch als bukkale Phase bezeichnet, stellt den Beginn des Schluckvorgangs dar und ist ein willkürlicher Vorgang. Sie beinhaltet die Kontraktion der Zunge, um den Bolus nach oben gegen den harten Gaumen und dann nach hinten in den Oropharynx zu schieben. Dadurch wird der Schluckreflex ausgelöst.
Der Druck, den der Nahrungsbolus auf den hinteren Oropharynx ausübt, aktiviert sensorische Rezeptoren des Nervus glossopharyngeus (HN IX) im Oropharynx, die Signale an den Nucleus solitarius im Schluckzentrum senden. Das Schluckzentrum sendet Signale zur Einleitung und Steuerung der nächsten beiden Schluckphasen, der pharyngealen und ösophagealen Phase. Während der oralen Phase ist der obere Ösophagussphinkter geschlossen und die Nahrung kann erst in die Speiseröhre gelangen, wenn der Sphinkter geöffnet wird.
Pharyngeale Phase
Es folgt die pharyngeale Phase des Schluckens, die, anders als die orale Phase, ein unwillkürlicher Vorgang ist. Zunächst verschließt die Zunge die Mundhöhle. Anschließend wird der Nasopharynx durch Anheben des weichen Gaumens und der Uvula (Gaumenzäpfchen) vom Oropharynx und Laryngopharynx abgeriegelt. An diesem Vorgang sind der Musculus levator veli palatini, der Musculus tensor veli palatini und der Musculus constrictor pharyngis superior beteiligt. Der Rachen nimmt den Bolus durch Kontraktion der Musculi hyoglossus und styloglossus auf, welche die Zunge nach hinten ziehen.
Gleichzeitig hebt sich der Larynx (Kehlkopf) aufgrund der Kontraktion der suprahyoidalen Muskulatur und der längsgerichteten Rachenmuskeln, was dazu führt, dass die Epiglottis die Trachea (Luftröhre) blockiert. Zuletzt entspannt und öffnet sich der obere Ösophagussphinkter, wodurch die Nahrung in die Speiseröhre gelangen kann.
Es ist wichtig, dass während dieser Phase die Epiglottis (Kehldeckel) die oberen Atemwege verschließt, um zu verhindern, dass Nahrungsbrei und Flüssigkeiten in die Atemwege gelangen und eingeatmet werden. Gelangt doch Nahrung in die Atemwege, wird der Hustenreflex ausgelöst.
Die pharyngeale Phase steht unter der autonomen Kontrolle des Schluckzentrums, das sich in der unteren Pons und der Medulla oblongata des Hirnstamms befindet. Der Nucleus ambiguus, ein motorischer Kern in der Medulla oblongata, ist für die Erzeugung allgemeiner somatischer efferenter Signale verantwortlich und leitet die Signale an die Schluckmuskulatur weiter.
Am Schluckvorgang sind mehrere Hirnnerven beteiligt, die unter anderem die Pharynxmuskulatur und Muskulatur des Ösophagus innervieren. An der afferenten Bahn sind der Nervus vagus (HN X) und der Nervus glossopharyngeus (HN IX) beteiligt und für die efferente Bahn sind der Nervus vagus, Nervus glossopharyngeus, Nervus trigeminus (HN V), Nervus accessorius (HN XI) und Nervus hypoglossus (HN XII) wichtig.
Ösophageale Phase
Die letzte Phase des Schluckvorgangs ist die ösophageale Phase. Wie die pharyngeale Phase ist auch dieser Vorgang unwillkürlich. Der Nahrungsbolus wird vom Pharynx aus in die Speiseröhre gepresst, nachdem die drei Konstriktor-Muskeln der Rachenmuskulatur (Musculi constrictor pharyngis superior, medius und inferior), die zusammen die äußere zirkuläre Schicht des Pharynx bilden, nacheinander kontrahieren. Durch diese Muskelkontraktion entsteht eine peristaltische Bewegung, die den Nahrungsbolus vollständig in die Speiseröhre transportiert. Ist der Transport abgeschlossen, zieht sich der obere Ösophagussphinkter zusammen und schließt sich somit wieder.
Der Nahrungsbolus bewegt sich weiter mittels Peristaltik der glatten Muskulatur durch die Speiseröhre. Auch die Schwerkraft hilft bei der Bewegung der Nahrung in den Magen. Die Speiseröhre durchstößt das Zwerchfell am Hiatus oesophageus und mündet am Ostium cardiacum in den Magen, welche vom unteren Ösophagussphinkter umgeben ist. Wenn sich der Bolus dem Magen nähert, relaxiert der untere Ösophagussphinkter und der Nahrungsbolus tritt in den Magen ein. Anschließend verengt sich der untere Ösophagussphinkter wieder, um einen Reflux des Mageninhalts in die Speiseröhre zu vermeiden.
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Klinik
Falls Muskeln oder Nerven, die am Schluckvorgang beteiligt sind, geschädigt werden, kann dies zu Funktionsstörungen in den Schluckphasen führen.
Eine Störung der oralen Phase kann auftreten, wenn Patient:innen Probleme mit der Innervation der Zunge haben. Dadurch ist der Bewegungsumfang der Zunge eingeschränkt und die Bolusbildung erschwert, was den Weitertransport in den Oropharynx beeinträchtigt.
Bei einer Funktionsstörung in der pharyngealen Phase kann Nahrungsbolus oder Flüssigkeit in die Atemwege gelangen, wenn die Epiglottis die oberen Atemwege nicht ausreichend verschließt. Dies kann zu Erkrankungen wie einer Aspirationspneumonie oder chronischen Atemwegsproblemen führen.
Falls der untere Ösophagussphinkter während der ösophagealen Phase nicht zusammengezogen bleibt, kann Mageninhalt in die Speiseröhre regurgitiert werden. Dies reizt die Schleimhaut der Speiseröhre und kann zu Sodbrennen oder gastroösophagealem Reflux führen.
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