Lymphsystem
Das Lymphgefäßsystem ist ein blind endendes Röhrensystem, das in den venösen Schenkel des Körperkreislaufes mündet. Anders als das Blutgefäßsystem, ist es nicht geschlossen.
Zu seinen Hauptfunktionen zählt die Aufnahme von interstitieller Flüssigkeit und ihre Rückführung in den Blutkreislauf, der Transport von im Darm aufgenommenen Fetten ins Blut, sowie der Transport von Immunzellen, Krankheitserregern und anderen immunogenen Stoffen.
In diesem Artikel werden wir die Anatomie, den Aufbau und die Funktion des Lymphsystems besprechen.
Organisation | Lymphkapillare, Lymphgefäße, Lymphstämme, Lymphknoten |
Lymphe | Klare, farblose Flüssigkeit mit geringem Zellgehalt in den Lymphkapillaren. Beim Durchfließen der Lymphknoten wird sie mit Lymphozyten und Lipiden angereichert. |
Lymphstämme | Trunci lumbalis, Trunci intestinales, Trunci bronchomediastinales, Truncus jugularis dexter et sinister, Trunci subclavia dexter et sinister |
Lymphknoten | Filterstationen innerhalb des Lymphgefäßsystems, enthalten Lymphozyten |
Funktion |
Abtransport von Zellresten, Mikroorganismen und Fremdstoffen Immunabwehr durch Abtransport von Erregern Lymphfluss vegetativ und mittels Muskelpumpe gesteuert |
Klinik | Elephantiasis |
- Organisation und Aufbau
- Lymphknoten
- Versorgungsgebiete
- Funktion und Lymphfluss
- Klinik
- Literaturquellen
Organisation und Aufbau
Das Lymphgefäßsystem ist hierarchisch gegliedert und wird in Lymphkapillaren, -gefäße und -stämme unterteilt. Lymphknoten sind in das Lymphgefäßsystem zwischengeschaltet.
Lymphkapillaren, die einen Durchmesser von 10 bis 50 μm haben, beginnen blind und geschlossen. Sie befinden sich in nahezu allen Geweben, mit Ausnahme des Knochenmarks und des Knorpelgewebes. Ihre Röhren bilden ein ausgedehntes Netzwerk, sie sind jedoch im Wesentlichen nicht untereinander verbunden. Genau wie Blutgefäße drainieren die Kapillaren in kleine Gefäße und die kleineren Gefäße münden in größere.
Obwohl sie geschlossen sind, sind die Lymphkapillaren durchlässig: ihre Wand besteht aus einer Schicht platter Endothelzellen ohne Perizyten. Zwischen den Zellen befinden sich damit große Öffnungen. Die Basalmembran ist teilweise unterbrochen oder fehlt ganz. Auf diese Weise können im Interstitium gelöste Fette, Proteine, Mikroorganismen und Fremdstoffe in die Lymphkapillaren übertreten.
Da das Interstitium alle Organe umgibt und sich in nahezu allen Geweben befindet, sind Lymphkapillaren ein funktionelles Ableitsystem, das zur Regulation des lokalen Flüssigkeitshaushaltes beiträgt. Sobald die Flüssigkeit aus dem Interstitium in die Lymphkapillaren übertritt, wird sie als Lymphe bezeichnet, die fettreiche Lymphe des Dünndarms als Chylus.
Lymphe ist eine klare, farblose Flüssigkeit mit sehr geringem Zellgehalt. Nach Durchfließen von Lymphknoten ist sie reich an Lymphozyten und angereichert mit verschiedenen Lipiden. Der Fettgehalt ist im Chylus am höchsten.
Manche Lymphkapillaren können vergleichsweise großlumig sein. Das Kollabieren dieser Gefäße wird durch Filamente verhindert, welche die Endothelzellen im Bindegewebe der Umgebung mechanisch verankern.
Aus den Lymphkapillaren gelangt die Lymphe in größere Lymphgefäße (Vasa lymphatica). Ihr Bau entspricht im Großen und Ganzen dem kleiner Venen, jedoch sind die einzelnen Wandschichten (Tunica intima, Tunica media, Tunica externa) deutlich dünner. Lymphgefäße verfügen wie Venen über Klappen. Diese stellen sicher, dass der Lymphfluss in Richtung der großen Venen erfolgt.
Die Lymphgefäße der einzelnen Körperpartien ziehen zu den Lymphstämmen (Trunci lymphatici). Dabei handelt es sich um im Wesentlichen mit den großen Körpervenen parallel verlaufende Strukturen. Sie sind in der anatomischen Präparation nur schwer darstellbar.
Lymphstämme
Die Lymphe der unteren Extremiäten und des kleinen Beckens läuft in die paarig angelegten Trunci lumbalis. Der Abfluss des oberen Beckenbereichs, des Darms und der unpaaren Bauchorgane erfolgt über die Trunci intestinales.
Alle vier laufen in der Cisterna chyli zusammen. Dabei handelt es sich um eine sackförmige Erweiterung der Lymphgefäße am kaudalen Ende des Ductus thoracicus. Sie liegt retroperitoneal etwa auf der Höhe des 1. oder 2. Lendenwirbelkörpers. Die Cisterna chyli geht in den Ductus thoracicus über, der in den linken Venenwinkel mündet.
Unter Venenwinkel versteht man die auf beiden Körperseiten vorhandene Vereinigung von Vena jugularis interna und Vena subclavia zur Vena brachiocephalica im Bereich der oberen Thoraxapertur.
Im Bereich des Brustraumes sammeln die Trunci bronchomediastinales sinister et dexter die Lymphe. Der linke mündet in den Ductus thoracicus ein, der rechte in den Ductus lymphaticus. Der Ductus lymphaticus sammelt die Lymphe aus der rechten oberen Körperhälfte und zieht direkt in den rechten Venenwinkel.
Die Lymphe aus der rechten oberen Körperhälfte mündet also direkt in das venöse System ein, während Lymphe aus allen anderen Körperpartien den deutlich längeren Weg über das Lymphgefäßsystem mit ihrem Hauptstamm, den Ductus thoracicus, geht.
Lymphe aus dem Kopf und Halsbereich zieht aus dem Truncus jugularis dexter bzw. Truncus jugularis sinister in den Ductus lymphaticus bzw. den Ductus thoracicus nah an der Mündung in den Venenwinkel. Die Lymphe des Halsbereiches hat seinen Ursprung im Gesicht und der Region hinter dem Ohr.
Bis um 2015 wurde davon ausgegangen, dass das Gehirn und das restliche Zentralnervensystem keine Lymphgefäße besitzen, was mit Hilfe von Untersuchungen an Nagetieren inzwischen widerlegt wurde. 2017 wurde eine Arbeit veröffentlicht, die ein Lymphgefäßsystem auch im Gehirn des Menschen nachweist.
Offenbar sind die Lymphgefäße so eng an den Blutgefäßen gelegen, dass sie bisher nicht bildgebend und anatomisch-präparatorisch dargestellt werden konnten. Auch die Hirnhäute scheinen ein Lymphgefäßsystem zu besitzen.
Die Trunci subclavia dexter et sinister sammeln die Lymphe aus der oberen Extremität, sie fließen jeweils in den Ductus lymphaticus bzw. in den Ductus thoracicus.
In sehr seltenen Fällen kann der Ductus thoracicus aufgrund einer anatomischen Variation auch in den rechten oder beide Venenwinkel einmünden.
Lymphknoten
Lymphknoten sind in das Lymphgefäßsystem zwischengeschaltete Filterstationen. In ihnen befinden sich Lymphozyten, die auf der Suche nach Antigenen sind.
Da die Lymphe aus der gesamten Peripherie stammt, in der Antigene und Fremdstoffe von den Lymphkapillaren aufgenommen werden, bietet sich in den Lymphknoten die Gelegenheit zum Zusammentreffen von Antigenen und Fremdstoffen mit Lymphozyten, die auf der Suche nach dem passenden Antigen sind. Letztere ziehen zwischen Lymphknoten und peripherem Blut hin und her.
Nicht jeder Lymphknoten besitzt Lymphozyten mit der passenden Signatur für das spezifische Antigen, daher wandern sie permanent durch den Organismus. Grundsätzlich gilt: über das Blutgefäßsystem treten solche Lymphozyten in Lymphknoten ein, über das Lymphsystem (Vas efferens des Lymphknotens) verlassen sie ihn.
Da die Lymphgefäße in das venöse System münden, befinden sich die spezifischen signatursuchenden Lymphozyten in einem ständigen großen Bewegungskreislauf.
Versorgungsgebiete
Lymphkapillaren und ihre entsprechend größeren Gefäße befinden sich im gesamten Körper. Sie sind im Wesentlichen gut kartiert. Die Erforschung der genauen Kartierung und des Aufbaus der Lymphgefäße des Zentralnervensystems ist hingegen erst in der Anfangsphase.
Lymphknoten finden sich nur am Körperstamm und im Verbindungsbereich der Extremitäten zum Körperstamm, Leiste und Achselbereich, sowie im Bereich des Halses und dem unteren Teil des Kopfes. Oberhalb der Ohren und in den Extremitäten finden sich keine Lymphknoten.
Insgesamt besitzt der Körper mehrere Dutzend großer Lymphknotenpakete, die paarig angelegt sind, sowie hunderte kleiner. In bzw. um die Einmündung des Ductus lymphaticus dexter bzw. Ductus thoracicus befinden sich ebenfalls Lymphknoten, die Nodi lymphoidei supraclaviculares.
Funktion und Lymphfluss
Durch das Lymphgefäßsystem werden im Interstitium befindliche Zellreste, Mikroorganismen und Fremdstoffe abtransportiert, was ihre Anreicherung im Gewebe verhindert. Die jeweils abtransportierten fremden und eigenen Zellen und Stoffe können damit dem Abbau zugeführt werden.
Desweiteren dient das Lymphsystem als Transportweg, der parallel zum Blutgefäßsystem verläuft und der Immunabwehr dient. Durch den Abtransport von Erregern, die sich lokal sammeln, kann die Erregerabwehr auf den Körper verteilt werden. Andererseits ist dies auch die Ursache für die schnelle Ausbreitung einer Infektion in den Körperkreislauf, wenn die lokale Erregerabwehr dem Angriff nicht mehr standhält und nicht nur einzelne Erreger ins Lymphsystem gelangen, sondern eine Vielzahl es überflutet.
Auch Zellen eines malignen Tumors können in das Lymphgefäßsystem eintreten und sich über dieses ausbreiten. Sie bilden nicht selten in Lymphknoten Metastasen, die von dort dann über den gesamten Körper streuen.
Während das Blutgefäßsystem mit dem direkt damit verbundenen Herzen eine eigene Pumpe besitzt, hängt die Transportfunktion des Lymphgefäßsystems von der vegetativ innervierten Ansteuerung der glatten Muskulatur der Lymphgefäße ab.
Außerdem wird der Fluss der Lymphe durch die Muskelpumpe, welche auch den venösen Rückfluss mechanisch unterstützt, verstärkt. Auch die arterielle Pulswelle sowie die Pumpwirkung des unter Unterdruck stehenden Thorax beim Atmen stellen eine mechanische Hilfe für die Bewegungen im Lymphgefäßsystem dar.
Die tägliche Transportleistung liegt bei etwa 2 bis 4l Lymphe, was rund 1/3000 der Pumpleistung des Blutgefäßsystems darstellt und damit quantitativ vernachlässigbar ist. Dennoch führen Abflussstörungen im Lymphgefäßsystem zu Stauungen, welche sich als klinisches Bild des Lymphödems zeigen.
Das Lymphsystem ist ein sehr umfangreiches Thema. Nachfolgend haben wir einige Lernmedien zusammengestellt, mit denen du dein Wissen erweitern kannst.
Klinik
Eine spezifische Erkrankung des Lymphgefäßsystems ist die Elephantiasis. Dabei handelt es sich um eine vor allem im tropischen und subtropischen Raum vorkommende Infektionserkrankung, die durch Fadenwürmer verursacht wird. Die Erreger vom Typ Wuchereria bancrofti, Brugia malayi und Brugia timori werden von Insekten übertragen und wandern nach Eindringen in den Organismus in die Lymphknoten. Dort reifen sie nach etwa 9 Monaten zu adulten, geschlechtsreifen Stadien heran. Das löst eine heftige lokale Entzündungsreaktion aus, welche allmählich zur Stenose der afferenten Lymphbahnen führt.
Die Lebenserwartung der adulten weiblichen Würmer beträgt mehrere Jahre, in dieser Zeit produzieren sie Millionen von Nachkommen, die dann wiederum von Mücken, die den Menschen stechen, aus dem Blut aufgenommen werden können. Die adulten Erreger benötigen die Stoffwechselprodukte bestimmter, für den Menschen apathogener Bakterien.
Das Immunsystem des Menschen ist nicht in der Lage, die Erreger abzutöten. In Folge des Lymphstaus kommt es zu schwerwiegenden Veränderungen des Körpers, vor allem der unteren Extremität und bei Männern im Speziellen des Skrotums. Es sind Lympheinlagerungen von mehreren Litern möglich.
Die Therapie erfolgt mit Ivermectin, welches die Nachkommen abtötet sowie Doxycyclin, das jene Bakterien beseitigt, die die adulten Erreger benötigen. Durch die Verwendung beider Wirkstoffe kann eine vollständige Ausheilung der Infektion erreicht werden.
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