Sprunggelenk
Das Sprunggelenk ist ein funktionaler Gelenkkomplex, welcher Unterschenkel und Fuß miteinander verbindet. Unterteilt wird es in oberes Sprunggelenk (Articulatio talocruralis), abgekürzt OSG und unteres Sprunggelenk (Articulatio talotarsalis), abgekürzt USG.
Die Unterteilung "oberes" und "unteres" bezieht sich auf die Lage oberhalb oder unterhalb des Sprungbeins (Talus).
Morphologisch handelt es sich dabei um zwei getrennte Gelenke. Sie sind jedoch funktionell so eng miteinander verknüpft, dass sie als Komplex betrachtet werden müssen.
Verletzungen im Bereich des Sprunggelenks, vor allem der lateralen Bänder (umgangssprachlich “Verstauchung” oder “Umknicken”), sind ein sehr häufiger Beratungsanlass in der Orthopädie, Unfallchirurgie sowie der Allgemeinmedizin.
Dieser Artikel erläutert die Anatomie, den Aufbau und die Funktion des Sprunggelenks.
Knochen |
OSG: Tibia, Fibula, Talus USG: Tibia, Fibula, Calcaneus |
Bänder | Medialer und lateraler Bandapparat, sowie Bänder der Malleolengabel (OSG), Lig. talocalcaneum interosseum, Lig. talocalcaneum laterale (USG) |
Funktion | Extension/Flexion, Eversion/Inversion |
Klinik | Supinationstrauma (sehr häufig) |
Oberes Sprunggelenk
Aufbau
Von kranial ist die erste gelenkbildende Struktur des oberen Sprunggelenks die Malleolengabel. Sie wird durch die distalen Epiphysen von Tibia und Fibula gebildet, die über eine Syndesmose (Syndesmosis tibiofibularis) miteinander fest verbunden sind.
Die Malleolengabel artikuliert mit der kranialen Gelenkfläche des Talus (Trochlea tali) und umschließt den Talus zusätzlich an den Seitenflächen.
Die distale Tibiaepiphyse bildet das sogenannte Rollendach (Facies articularis inferior tibiae) aus und überdeckt mit diesem die gesamte Breite der Trochlea tali. Dadurch findet die Übertragung des gesamten Körpergewichts fast ausschließlich zwischen Tibia und Talus statt.
Die distale Fibulaepiphyse endet eher spitz und artikuliert nur mit dem lateralen Anteil der Trochlea tali.
Die Gelenkkapsel entspringt an der Knorpel-Knochen-Grenze des Gelenks und greift nur ventral ein kleines Stück über den Talushals (Collum tali) hinaus. Die Knöchel (Malleolen) bleiben demnach außerhalb der Gelenkkapsel.
Die Sehnenscheiden der Extensoren des Unterschenkels sind mit der Vorderwand der Gelenkkapsel verwachsen. Durch diese Zugspannung wird ein Einklemmen der Gelenkkapsel verhindert.
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Bänder
Das obere Sprunggelenk besteht aus drei Bandanteilen: einem medialen und lateralen Bandapparat, sowie den Bändern der Malleolengabel.
Das obere Sprunggelenk besitzt kein eigenständiges ventrales Band.
Der mediale Bandapparat wird durch das Ligamentum deltoideum (auch Ligamentum collaterale mediale genannt) gebildet. Es besteht aus 4 Anteilen:
- Pars tibiotalaris anterior
- Pars tibiotalaris posterior
- Pars tibionavicularis
- Pars tibiocalcanea
Sie alle entspringen am Malleolus medialis der Tibia und ziehen zu den Zielstrukturen entsprechend ihrer Namensgebung. Rein anatomisch handelt es sich um einzelne Bänder, die jedoch topographisch und funktionell so stark miteinander verknüpft sind, dass sie eine gemeinsame Einheit bilden und als Ligamentum deltoideum bezeichnet werden. Funktionell wirken die medialen Bänder einer Valgisierung des Fußes entgegen.
Die lateralen Kollateralbänder werden zwar häufig als Ligamentum collaterale laterale zusammengefasst, bilden aber streng genommen keine Einheit, sondern bestehen aus drei Einzelbändern:
- Ligamentum calcaneofibulare
- Ligamentum talofibulare anterius
- Ligamentum talofibulare posterius
Ihren Ursprung finden die drei lateralen Kollateralbänder am Malleolus lateralis der Fibula und verlaufen dann zu ihren verschiedenen Ansatzpunkten. Das Ligamentum calcaneofibulare setzt an der lateralen Seite des Calcaneus an. Das Ligamentum talofibulare anterius reicht bis zum Collum des Talus, während sich das Ligamentum talofibulare posterius zum Processus posterior des Talus erstreckt.
Die Bänder der Malleolengabel verbinden die Tibia mit der Fibula: ventral gestützt durch das Ligamentum tibiofibulare anterius, dorsal durch das Ligamentum tibiofibulare posterius. Weiter proximal findet sich die Membrana interossea cruris, die nicht mehr Teil des Sprunggelenkes ist, aber die Stabilität im oberen Sprunggelenk durch eine zusätzliche Verklammerung der Tibia mit der Fibula unterstützt.
Die Anordnung aller drei Bandanteile bedingt, dass bei allen Bewegungen im oberen Sprunggelenk ein Teil der Seitenbänder gespannt bleibt und das Gelenk sicher geführt wird.
Das Fehlen eines eigenständigen ventralen Bandes im oberen Sprunggelenk erlaubt die Plantarflexion praktisch bis zur Knochenhemmung. Durch die "Verklammerung" der Malleolengabel sind kleine federnde Bewegungen im Sprunggelenk möglich.
Unteres Sprunggelenk
Aufbau
Am unteren Sprunggelenk sind Talus, Calcaneus und Os naviculare beteiligt. Dieses Gelenk besteht aus einem vorderen und einem hinteren Abschnitt. Formal handelt es sich bei beiden Abschnitten um einzelne Gelenke, deren Funktion jedoch wegen der topographischen Nähe und der biomechanischen Interaktion nicht einzeln betrachtet werden kann.
Die beiden Einzelgelenke werden durch den Sinus tarsi, einer Art Tunnel zwischen Talus und Calcaneus, voneinander getrennt. Im Sinus tarsi befindet sich das Ligamentum talocalcaneum interosseum, das den Talus mit dem Calcaneus verbindet.
Das vordere untere Sprunggelenk (Art. talocalcaneonavicularis) wird durch 3 artikulierende knöcherne Gelenkflächen gebildet:
- Das Os naviculare artikuliert mit der Facies articularis navicularis des Talus
- Die Facies articularis calcanea anterior et media des Talus artikuliert mit der Facies articularis talaris anterior et media des Calcaneus
Zwischen Os naviculare und Calcaneus befindet sich eine knöcherne Lücke, die als Freiraum verbleibt. Sie wird nach kaudal durch das Pfannenband (Ligamentum calcaneonaviculare plantare) geschlossen. Das Band bildet so einen Teil der Gelenkfläche und besitzt gelenkseits eine überknorpelte Fläche.
Durch das Pfannenband wird das Os naviculare fest mit dem Calcaneus verbunden, sodass der Taluskopf nicht dazwischen gleiten kann.
Das hintere untere Sprunggelenk (Art. subtalaris) wird durch die Facies articularis calcanea posterior des Talus und der Facies articularis talaris posterior des Calcaneus gebildet.
Das untere Sprunggelenk besitzt mehrere Gelenkkapseln, die jede Kammer des Gelenks einzeln umschließen.
Bänder
Der Bandapparat des unteren Sprunggelenkes ist funktionell eng mit dem des oberen verknüpft und wird auch teilweise durch dessen Bandstrukturen stabilisiert.
Ausschließlich zum unteren Sprunggelenks zählen folgende zwischen dem Talus und Calcaneus liegenden Bänder:
- Ligamentum talocalcaneum interosseum
- Ligamentum talocalcaneum laterale
Das Ligamentum talocalcaneum interosseum trennt die beiden Gelenkhöhlen des unteren Sprunggelenkes und verbindet Talus und Calcaneus durch kurze, kräftige Faserzüge. Der mediale Faseranteil des Bandes bremst die Pronation, der laterale Teil die Supination. Das Ligamentum talocalcaneum laterale hemmt die Supination
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Funktion
Oberes Sprunggelenk
Beim oberen Sprunggelenk handelt es sich um ein Scharniergelenk, welches nur Bewegungen in einer Achse zulässt: Dorsalextension und Plantarflexion. Die Gelenkachse verläuft dabei durch die Spitzen der beiden Malleolen.
Durch den anatomischen Bau der Trochlea tali, welche ventral bis zu 5 mm breiter ist als dorsal, hängt die Stabilität des Gelenks von dessen Stellung ab.
In der Dorsalextension befindet sich die Malleolengabel direkt über der breitesten Stelle der Trochlea tali, was zu einem leichten Spreizen der Malleolengabel führt. In dieser Stellung liegen Malleolus medialis und lateralis besonders fest an, was zu einer sehr hohen Stabilität führt. Dies macht man sich beispielsweise im Skisport durch die Hockstellung zu Nutze.
In Plantarflexion dagegen befindet sich die Malleolengabel über der schmalsten dorsal gelegenen Stelle der Trochlea tali. In dieser Stellung ist das Gelenk sehr instabil, da die Gelenkflächen nicht mehr straff anliegen, wodurch das klassische Supinationstrauma begünstigt wird. Mehr zum Supinationstrauma findest du im letzten Abschnitt über die Klinik.
Bewegung | Dorsalextension/Plantarflexion |
Bewegungsumfang | 30° - 0° - 50° |
Unteres Sprunggelenk
Beim unteren Sprunggelenk handelt es sich funktionell am ehesten um ein atypisches Radgelenk mit einem Freiheitsgrad. Die Achse des unteren Sprunggelenkes verläuft von vorne medial oben durch das Os naviculare und Talus nach hinten lateral unten zum Tuber calcanei.
Die isolierte Bewegung des unteren Sprunggelenkes wird als Inversion (Drehung des Rückfußes nach medial) und Eversion (Drehung des Rückfußes nach lateral) bezeichnet. Beide Bewegungen sind nur durch Ruhigstellung des oberen Sprunggelenkes und aktive Fixierung des Fußes möglich.
Inversion und Eversion sind daher keine natürliche Bewegungen, wenngleich sie einen erheblichen Beitrag zur Pronation und Supination leisten.
Bewegung | Eversion/Inversion |
Bewegungsumfang | 30° - 0° - 60° |
Tipp: Inversion und Eversion entsprechen nicht der Pronation und Supination. Bei der Pronation und Supination finden zusätzliche Bewegungen von den Gelenken der Fußwurzel und des Mittelfußes statt, während die Inversion und Eversion einzig und allein in der Achse des unteren Sprunggelenks vollzogen wird.
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Klinik
Supinationstrauma
Eine besonders häufige Verletzung im oberen Sprunggelenk ist das Supinationstrauma. Ursächlich ist die Instabilität des Gelenks in der Stellung der Plantarflexion, die beispielsweise beim Tragen von Schuhen mit hohen Absätzen, bei vielen Sportarten oder beim Bergabgehen eingenommen wird.
Dabei kommt es zum Umknicken des Fußes nach lateral mit anschließender Supination und Adduktion. Häufig werden dabei die Außenbänder mitverletzt. Dabei ist insbesondere das Ligamentum talofibulare anterius häufig mitbetroffen.
Typischerweise klagen die Betroffenen über starke Schmerzen im Bereich des Außenknöchels. Ein Aufsetzen und Belasten des betroffenen Fußes ist oftmals äußerst schmerzhaft oder nicht mehr möglich.
In der klinischen Untersuchung zeigt sich Druckschmerzhaftigkeit über dem Bandverlauf sowie eine deutliche Schwellung. Die Bewegung ist ebenfalls oft deutlich eingeschränkt.
Die Diagnose erfolgt klinisch, gesichert wird sie durch Röntgenaufnahmen des Sprunggelenkes in 2 Ebenen zum Ausschluss einer Fraktur sowie durch gehaltene Röntgenaufnahme bei unvollständiger oder vollständiger Ruptur.
In diesem Falle zeigt sich in der Röntgenaufnahme das Aufklappphänomen: bedingt durch das fehlende oder stark gezerrte Band ist eine deutlich stärkere Bewegungsfreiheit (Aufklappbarkeit) gegeben, die bei intakter Bandstruktur nicht vorhanden wäre. Bei spezielleren Fragestellungen kann der direkte Nachweis der Bandverletzung in der MRT erfolgen.
Die Therapie erfolgt konservativ durch Kühlung, Hochlagerung und Analgesie.
Zur Stabilsierung des Gelenks bis zur vollstädnig wiedererlangten Belastbarkeit, erfolgt die Schienung und ggf. Entlastung durch Unterarmgehstützen.
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