Facettengelenk
Die Wirbelbogengelenke (Facettengelenke, Articulationes zygapophysiales) sind paarige, echte Gelenke.
Sie befinden sich zwischen den Processus articulares superiores und inferiores zweier benachbarter Wirbelkörper.
Funktionell handelt es sich um Schiebegelenke, welche die Bewegung der Wirbelsäule in drei Achsen ermöglichen.
In diesem Artikel gehen wir näher auf die Anatomie, die involvierte Muskulatur und die Funktion der Facettengelenke ein.
Artikulierende Knochen | Processus articulares superiores und inferiores zweier benachbarter Wirbelkörper |
Gelenkflächen | Facies articulares superiores und inferiores |
Gelenkart | Schiebegelenk |
Muskeln | M. erector spinae M. rectus abdominis M. obliquus externus M. obliquus internus M. transversus abdominis |
Funktionen | Ventralflexion Dorsalextension Lateralflexion Rotation |
Aufbau
Die Wirbelbogengelenke existieren an jedem Wirbelkörper. Atlas und Axis der Halswirbelsäule bilden allerdings besondere Verbindungen, die zwei Kopfgelenke Articulatio atlantooccipitalis und Articulatio atlantoaxialis.
Die Processus articulares superior et inferior (Gelenkfortsätze), welche an den Wirbelbogengelenken beteiligt sind, befinden sich an dem dorsalen Teil des Wirbelbogens direkt hinter den Procc. transversi (Querfortsätzen).
Je zwei Procc. articulares superiores eines Wirbelkörpers artikulieren über ihre Gelenkflächen (Facies articulares superiores) mit den Gelenkflächen der Procc. articulares inferiores (Facies articulares inferiores) des direkt darüber gelegenen Wirbelkörpers.
Die oberen Gelenkflächen des Wirbelbogens sind nach dorsal, die unteren Gelenkflächen nach ventral orientiert. Im Bereich der Lendenwirbelsäule stehen die Procc. articulares fast sagittal zueinander. Dies hat Auswirkungen auf die Beweglichkeit.
Kapsel
Die Kapsel der Zwischenwirbelgelenke (Capsula articularis) ist in den unterschiedlichen Abschnitten der Wirbelsäule an die Bewegungsausmaße angepasst: In der stark beweglichen Halswirbelsäule ist sie schlaff und weit und in den weniger gut beweglichen Abschnitten der Brust- und Lendenwirbelsäule ist sie enger.
In fast allen Zwischenwirbelgelenken finden sich sichelförmige Synovialfalten der Gelenkkapsel, die meniskoiden Synovialfalten. Sie bestehen aus gut vaskularisierten, straffem Bindegewebe und mindern die Gelenkinkongruenz, indem sie in den Gelenkspalt hineinragen und diesen verkleinern.
Bänder
Die Kapseln der Zwischenwirbelgelenke werden durch die Ligg. flava verstärkt. Diese Bänder verlaufen segmental zwischen den Pediculi zweier benachbarter Wirbelbogen und begrenzen die Foramina intervertebralia dorsal, durch welche die Spinalnerven ziehen.
Mechanik
Die Zwischenwirbelgelenke stellen mit den Zwischenwirbelscheiben, Bändern und Muskeln des Rückens eine funktionelle Einheit dar. Dies gilt nicht nur für zwei benachbarte Wirbelkörper, sondern für die ganze Wirbelsäule und ihre 25 Gelenke.
Die Wirbelkörper mit den Zwischenwirbelscheiben werden mit nach kaudal gerichteten Längskräften belastet. Nach vorne gerichtete Schubkräfte werden durch die Zwischenwirbelgelenke und den Bandapparat absorbiert.
Die Facies articulares superiores und inferiores laufen leicht schräg von dorsokaudal nach ventrokranial, weswegen sie potentiell gegeneinander verschiebbar sind. Dies wird aber durch den Bandapparat sowie die autochthone Rückenmuskulatur verhindert.
Im Aufbau der Procc. articulares existieren in den Wirbelsäulensegmenten Unterschiede, was zu verschiedenen Bewegungsmöglichkeiten führt.
Halswirbelsäule (HWS)
In der stark beweglichen HWS sind die Gelenkflächen nach vorne bzw. hinten orientiert und gegenüber der Horizontalebene um ca. 45% geneigt. Ventralflexion, Dorsalextension, Lateralflexion und Rotation (65°/40°/35°/50°) sind in der HWS in einem höheren Maß möglich als in Brust- oder Lendenwirbelsäule.
Bei HWS-Bewegungen sollte die hohe Beweglichkeit der Kopfgelenke berücksichtigt werden, die ca. 20° (Ventralflexion) und 10° (Dorsalextension) beitragen.
Brustwirbelsäule (BWS)
Die Procc. articulares im Bereich der BWS sind um ca. 80° gegenüber der Horizontalen geneigt, sie stehen somit fast senkrecht auf ihr. Die Gelenkflächen sind nicht streng nach vorne bzw. hinten orientiert, sondern sind gegenüber der Frontalebene um ca. 20° abgewinkelt und schauen leicht nach außen.
Da das Thoraxskelett mit der BWS verbunden ist, sind Ventralflexion und Dorsalextension nur 35° bzw. 25° möglich. Lateralflexion und Rotation sind zu 20° bzw. 35° möglich.
Lendenwirbelsäule (LWS)
In der LWS sind die Procc. articulares um 90° gegenüber der Horizontalen geneigt, stehen also senkrecht. Die Gelenkflächen sind gegenüber der Frontalebene um ca. 45° nach innen geneigt. Diese Stellung bewirkt, dass die Rotation in der LWS kaum (ca. 5°) möglich ist.
Die Ventralflexion ist, aufgrund des fast sagittalen Verlaufs der Gelenkflächen, in der LWS stärker als in der BWS möglich (50°). Die maximale Dorsalextension beträgt ca. 35°. Das Ausmaß der Lateralflexion gleicht mit ca. 20° der BWS.
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Muskulatur
Die Lage von Muskelgruppen in Bezug auf die Zwischenwirbelgelenke (dorsal vs. ventral) gibt zuverlässig Aufschluss über die zu erwartende Bewegung.
Die dorsal der Zwischenwirbelgelenke laufenden Muskeln des Rückens, vor allem der M. erector spinae mit medialem und lateralem Trakt, bewirken eine Extension des Rückens.
Die Flexion wird durch ventral gelegene Muskeln hervorgerufen, unter denen der M. rectus abdominis der Wichtigste ist. Rotationsbewegungen und Lateralflexion geschehen zum größten Teil durch die lateralen Mm. obliquus externus, internus und transversus abdominis.
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Klinik
Wenn die Facies articulares der Zwischenwirbelgelenke ihren Kontakt zueinander verlieren, bezeichnet man dies als Spondylolyse. Sie tritt meist beidseitig im Bereich der LWS auf, besonders häufig ist sie bei Kindern und Jugendlichen, die viele Jahre reklinierende Sportarten betreiben (Turnen, Trampolinspringen).
Wird die Spondylolyse nicht rechtzeitig erkannt, können Wirbelkörper (v.a. LWK 5) gegenüber dem Os sacrum nach ventral abkippen (Spondylolisthesis). Die Facies articulares superiores bzw. inferiores haben durch die zunehmende Diastase (Auseinanderweichen) der Wirbelkörper keinen Kontakt mehr, das Os sacrum wird durch die Belastung von ventral kuppelförmig abgerundet.
Bemerkenswert ist, dass Kinder auch bei hochgradiger Spondylolisthesis häufig keine Beschwerden angeben, obwohl sogar eine Stufenbildung in der Wirbelsäule gesehen werden kann.
Diagnostisch werden Röntgenbilder in verschiedenen Ebenen angefertigt und das Ausmaß der Ventralverschiebung dann nach Meyerding eingeteilt. Ein generelles Sportverbot wird meist nicht ausgesprochen, jedoch kann ein Wechsel der Sportart sinnvoll sein.
Bei Risikofaktoren (schneller Progress, hochgradige Verschiebung nach ventral, junge Kinder) werden die Wirbelkörper mit Pedikelschrauben operativ fixiert.
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