Iliosakralgelenk (Art. sacroiliaca)
Das Iliosakralgelenk (ISG, Articulatio sacroiliaca, Kreuzbein-Darmbein-Gelenk) befindet sich auf der dorsalen Seite des knöchernen Beckens und verbindet das Os ilium (Darmbein) und das Os sacrum (Kreuzbein).
Charakteristisch ist der ausgeprägte Bandapparat, welcher die Beweglichkeit des Gelenks stark einschränkt. Dies bezeichnet man als Amphiarthrose.
Dieser Artikel beschreibt die Anatomie, den Aufbau und die Funktion des Iliosakralgelenks.
Artikulierende Knochen |
Os sacrum Os ilium |
Gelenkflächen |
Facies auricularis ossis sacrum Facies auricularis ossis ilium |
Gelenkart | Amphiarthrose |
Bänder |
Lig. iliolumbale Lig. sacroiliacum anterius und posterius Ligg. sacroiliaca interossea Lig. sacrospinale Lig. sacrotuberale |
Funktion | Überträgt Gewicht des Rumpfes auf die untere Extremität |
Aufbau
Das Iliosakralgelenk ist ein bekanntes Beispiel einer Amphiarthrose, also eines straffen Gelenkes mit geringer Bewegungsmöglichkeit. Es wird durch die Gelenkflächen von Os sacrum und Os ilium gebildet, welche beide als Facies auriculares bezeichnet werden.
Die Gelenkfläche des Os sacrum ist in der Mitte leicht eingekerbt, das Os ilium besitzt eine dazu passende Vorwölbung. Die entstehende Verzahnung der Gelenkflächen miteinander ist eine der Ursachen für die geringe Beweglichkeit des Iliosakralgelenks. Beide Gelenkflächen sind von einer Knorpelschicht überzogen, welche am Os sacrum wesentlich dicker ist.
Das Iliosakralgelenk ist das längste axiale Gelenk im Körper und hat eine Artikulationsfläche von ca. 18 cm2.
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Kapsel
Aufgrund der dorsal lokalisierten, stark ausgeprägten Ligg. interossea und sacroiliaca posteriora ist lediglich der ventrale und kaudale Teil des Iliosakralgelenks ein echtes synoviales Gelenk mit Gelenkkapsel. Der Rest, die Tuberositas ossis sacri und iliaca, sind von Bändern durchsetzt und streng genommen nicht mehr Teil des Iliosakralgelenks.
Bänder
Der stark ausgeprägte Bandapparat stellt eine weitere Ursachen für die geringe Beweglichkeit des Iliosakralgelenks dar. Die Bänder verhindern außerdem im Stand ein Abkippen des Os sacrum in die Beckenhöhle. Folgende Bänder sind von Bedeutung:
- Lig. iliolumbale - verbindet den Proc. costalis des 5. LWK mit der Crista iliaca des Os ilium. Es verläuft von medial-kranial nach lateral-kaudal. Dieses Band verhindert ein Auseinanderweichen der Ossa ilia.
- Lig. sacroiliacum anterius und posterius - ziehen vor bzw. hinter dem Iliosakralgelenk hauptsächlich von den ersten zwei Wirbelkörpern, aber auch vom Rest des Os sacrum zum Os ilium. Das Lig. sacroiliacum anterius ist die kraniale Begrenzung des Foramen ischiadicum majus.
- Ligg. sacroiliaca interossea - sind stark ausgeprägte Bänder und ziehen von der Tuberositas ossis sacri zur Tuberositas iliaca. Diese rauen Knochenabschnitte finden sich kranial und dorsal der jeweiligen Facies auricularis. Die Ligg. sacroiliaca interossea werden durch die Ligg. sacroiliaca posteriora bedeckt.
- Lig. sacrospinale - zieht vom Os sacrum und Os coccygis (Steißbein) zur Spina ischiadica (Os ischii). Kranial dieses Bandes befindet sich das Foramen ischiadicum majus, kaudal davon das Foramen ischiadicum minus.
- Lig. sacrotuberale - zieht vom Os sacrum und Os coccygis zum Tuber ischiadicum (Os ischii) und bildet die untere Begrenzung des Foramen ischiadicum minus. Die Ligg. sacrospinale und sacrotuberale fixieren das Os sacrum und verhindern ein Abkippen nach dorsal.
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Mechanik
Obwohl aufgrund des starken Bandapparates und der Verzahnung der Gelenkflächen Bewegungen im Iliosakralgelenk nur sehr geringfügig möglich sind, sind sie doch in speziellen Situationen (z.B. beim Geburtsvorgang) sehr relevant. Bei der Nutationsbewegung (Nick- oder Kippbewegung) in der Sagittalebene dreht sich das Os sacrum um eine Achse im Bereich der Ligg. sacroiliaca interossea. Hierdurch verlagert sich das kraniale Promontorium ossis sacri nach kaudal und ventral, das kaudale Os coccygis wandert jedoch nach dorsal.
Dadurch wird die Conjugata recta (Abstand zwischen Unterrand der Symphyse und Os coccygis) größer, die Ligg. sacrospinale und sacrotuberale werden angespannt (“Nutationsbremse”). Diese Bewegung ist beim Geburtsvorgang wichtig und wird durch das Hormon Relaxin des Corpus luteum graviditatis ermöglicht, welches kollagenes Bindegewebe lockern kann.
Muskulatur
Das Iliosakralgelenk wird ausschließlich durch Bänder und die Verzahnung der Gelenkflächen gesichert. Die großen Muskeln, Mm. glutei und iliopsoas, die dorsal und ventral über das Gelenk ziehen, tragen nicht zur Stabilisierung bei.
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Klinik
Gemeinsam mit Teilen der Wirbelsäule kann das Iliosakralgelenk im Zuge eines Morbus Bechterew, einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung betroffen sein. In den meisten Fällen ist HLA-B27 positiv (eine Variante des humanen Leukozytenantigens) und Männer scheinen häufiger betroffen zu sein.
Sind die Iliosakralgelenke betroffen (Sakroiliitis), wie es häufig der Fall ist, manifestiert sich dies durch meist nachts auftretende, lageunabhängige Kreuzschmerzen. Bei Fortschreiten der Erkrankung kommt es zu Verkalkung des Bandapparats der Wirbelsäule mit kyphotischer Versteifung. Dies kann zu einer Behinderung der Atemtätigkeit führen. Zusätzlich kann es zu einer Schwellung peripherer Gelenke kommen.
Die Diagnostik stützt sich auf Anamnese, Klinik und die Messung von HLA-B27. Entzündungsparameter (BSG, Leukozyten, CRP) sind meist normal oder nur leicht erhöht. Die Sakroiliitis kann bereits in frühen Stadien gut mittels einer MRT sichtbar gemacht werden.
Ziel der Therapie ist es, ein Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern. Es werden nichtsteroidale, analgetische und antiinflammatorische Medikamente wie Ibuprofen eingesetzt, in schweren Fällen auch Immunsuppressiva. Bei starken kyphotischen Versteifungen wird eine lordosierende Osteotomie (Knochendurchtrennung) durchgeführt, um das Stand- und Gangbild zu korrigieren. Zur Verlangsamung der Progression der Erkrankung, ist die konsequente Anwendung von Physiotherapie essentiell.
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