Immunsystem
Das Immunsystem besteht aus Anteilen, die bereits zum Zeitpunkt der Geburt vorhanden sind (die sogenannte angeborene oder unspezifische Immunität) und solchen, die sich erst nach Exposition gegenüber Krankheitserregern entwickeln (erworbene, spezifische oder adaptive Immunität).
Die angeborene Komponente des Immunsystems bietet einen allgemeinen Schutz gegen eine begrenzte Anzahl an Krankheitserregern.
Die adaptive Immunantwort entwickelt sich erst, sobald der Organismus fremden Antigenen gegenüber ausgesetzt ist.
In diesem Artikel werden beide Anteile des Immunsystems und ihre Zellbestandteile behandelt. Im Anschluss gibt es einen kurzen Überblick über verschiedene Störungen des Immunsystems.
Angeborenes Immunsystem
Barrieren
Die erste Verteidigungslinie gegen Eindringlinge jeder Art ist eine Mauer. Im Falle des menschlichen Organismus stellen die Epithelien die größte mechanische Barriere gegen potenzielle Krankheitserreger dar. Zu diesen Epithelien gehören die Haut als äußere Schicht und ihre Fortsetzung nach innen in Form von Schleimhäuten, der Atemwege sowie des Verdauungssystems.
Obwohl die Art des Epithels je nach Organ variiert (von verhorntem Plattenepithel der Haut über unverhorntes Plattenepithel der Mundhöhle bis hin zu einfachem schleimbildenden Zylinderepithel des Magens), werden die Zellen durch Desmosomen zusammengehalten, welche die Durchlässigkeit der Zellmembranen erheblich einschränken.
Darüber hinaus ist das Epithel mit Defensinen ausgestattet, bei denen es sich um kationische antimikrobielle Moleküle handelt, welche die Zerstörung potenziell eindringender Krankheitserreger fördern. Sie können diese Funktion erfüllen, indem sie die Membranen der Mikroben depolarisieren oder die Zellwände der Erreger lysieren. Auch das Mukosa-assoziierte Lymphgewebe ist weit verbreitet. Diese Ansammlungen sekundären lymphatischen Gewebes enthalten Lymphozyten, die eine regionale Reaktion auf Mikroorganismen auslösen können. Sollte es jedoch auch zu einer Schädigung dieser Schutzschicht kommen, werden zusätzliche Immunantworten stimuliert.
Pattern-Recognition-Receptors (PRRs)
Normalerweise haben die meisten verwandten Mikroben spezifische nachweisbare Strukturmerkmale, welche innerhalb ihrer Spezies homogen ausgeprägt und nicht anfällig für genetische Variabilität sind. Diese Strukturen, sogenannte Pathogen-assoziierte molekulare Muster (PAMPs), werden vom angeborenen Immunsystem als fremd erkannt. Ebenso gibt es molekulare Muster, welche durch Gewebeschäden und Nekroseprozesse im eigenen Organismus freigesetzt und vom Immunsystem erkannt werden. Diese werden als Schädigungs-assoziierte molekulare Muster (DAMPs) bezeichnet. Die Erkennung dieser Muster wird durch eine Familie von Mustererkennungsrezeptoren (engl. Pattern-Recognition-Receptors, kurz PRRs) gewährleistet. Sie werden in drei Gruppen unterteilt:
- Plasmamembranrezeptoren
- endosomale Rezeptoren
- intrazelluläre Rezeptoren
Die Plasmamembranrezeptoren detektieren extrazelluläre Mikroben, die endosomalen Rezeptoren können an phagozytierte Pathogene binden und die intrazellulären Rezeptoren erkennen Pathogene im Zellplasma. Zu den bekanntesten Mustererkennungsrezeptoren gehört die Familie der Toll-Like-Rezeptoren (TLRs). Es gibt ungefähr 10 Subtypen von Toll-Like-Rezeptoren bei Säugetieren. Sie befinden sich sowohl in den endosomalen Vesikeln als auch auf der Plasmamembran.
Ihre Hauptaufgabe besteht darin, Transkriptionsfaktoren zu aktivieren. Zu diesen Transkriptionsfaktoren gehört der NF-κB (nuclear factor 'kappa-light-chain-enhancer' of activated B-cells), welcher die Synthese und Freisetzung von Zytokinen hochreguliert und die die IRFs (Interferon-regulierende Faktoren), welche die Produktion virusspezifischer Zytokine fördern. Ein Beispiel für intrazelluläre Rezeptoren sind die NOD-ähnlichen Rezeptoren (Nukleotid-bindende Oligomerisierungsdomäne) auch NLRs genannt. Dieser Rezeptortyp ist in der Lage, Elektrolytstörungen, Nebenprodukte der Zellnekrose und pathogene Substanzen zu erkennen.
Monozyten
Ein wesentlicher Bestandteil des angeborenen Immunsystems ist die Fähigkeit dieser Zellen, Krankheitserreger unschädlich zu machen. Monozyten und ihre peripheren Abkömmlinge (Makrophagen) können zirkulierende Krankheitserreger erkennen, phagozytieren und zerstören. Die Monozyten entwickeln sich aus den gemeinsamen myeloischen Vorläuferzellen unter dem Einfluss des Granulozyten-Monozyten-Kolonie-stimulierenden Faktors (GM-CSF). Sie bilden zunächst große, einheitliche Zellen mit einem blassen Kern und retikulärem Chromatin, die als Myeloblasten bekannt sind. Der Monozytenkolonien-stimulierende Faktor (M-CSF) treibt die Differenzierung von Myeloblasten in Monoblasten und anschließend in Promonozyten an. Letztere enthalten einen großen, eingekerbten Zellkern mit sichtbaren Kernkörperchen (Nucleoli) und einem basophilen Zytoplasma. Sobald die Konzentration des rauen endoplasmatischen Retikulums zunimmt und sich der Golgi-Komplex vergrößert, reifen die Promonozyten zu Monozyten heran.
Makrophagen
Monozyten, die in bestimmte Gewebe einwandern, werden als Makrophagen bezeichnet. Sie kommen auch in Abwesenheit eines infektiösen oder entzündlichen Prozesses vor. Nachdem die Makrophagen die eindringenden Erreger phagozytiert, also umschlossen und aufgenommen haben, sind sie in der Lage, Proteinfragmente des Krankheitserregers auf ihrer Oberfläche zu präsentieren. Dieser Mechanismus wird Antigenpräsentation genannt. Daher werden Makrophagen auch als antigenpräsentierende Zellen betrachtet. Darüber hinaus gelten sie als hochwirksame Effektorzellen, da sie von den T-Lymphozyten des adaptiven Immunsystems aktiviert werden können. Durch diese Aktivierung der Makrophagen wird ihre Fähigkeit, phagozytierte Mikroben abzutöten, hochreguliert. Ebenfalls sind sie in der Lage, Erreger zu phagozytieren, welche in der humoralen Phase der zellulären Immunität opsoniert wurden. Die Opsonierung bezeichnet die Markierung von Mikroorganismen (beispielsweise mittels Antikörper oder Faktoren des Komplementsystems).
Dendritische Zellen
Dendritische Zellen sind eine Untergruppe von Leukozyten, deren verzweigte Membranfortsätze denen neuronaler Dendriten ähneln (daher ihr Name). Sie sind allgegenwärtig und kommen sowohl im primären als auch im sekundären Lymphgewebe sowie im gesamten Epithel vor. Ihre Hauptfunktion besteht darin, fremde Proteine in sich aufzunehmen und sie Thymuslymphozyten (T-Lymphozyten) zu präsentieren. Sie sind auch in der Lage, Produkte von Zellschäden sowie Krankheitserreger zu erkennen. Als Reaktion auf das Vorhandensein dieser Strukturen fördern sie die Freisetzung von Zytokinen und die Einleitung des Entzündungsprozesses. Obwohl sie fremde Antigen erkennen können, fehlt ihnen die Fähigkeit, sie zu phagozytieren.
Natürliche Killerzellen
Die Erkennung und Bekämpfung von virusinfizierten Zellen und Tumorzellen erfolgt durch die natürlichen Killerzellen (NK-Zellen). Sie richten sich gegen Zellen, die Zellstress ausgesetzt waren und anschließend irreversibel geschädigt wurden. Sie ähneln in ihrem Aufbau den Lymphozyten, haben jedoch einen etwas größeren Durchmesser. Ihr Zytoplasma enthält zahlreiche azurophile Granulae, die mit hydrolytischen Enzymen und Verdauungsenzymen gefüllt sind.
NK-Zellen haben keine T-Zell-Rezeptoren (TCRs) und bilden keine Immunglobuline (Antikörper). Sie sind daher in der Lage, eine Vielzahl von Tumoren und infizierten Zellen ohne vorherige Exposition gegenüber einem anderen ähnlichen Antigen zu zerstören. Der Schlüssel zu dieser Fähigkeit liegt in speziellen Oberflächenmarkern, den Clusters of Differentiation 16 und 56 (CD16 und CD56), die sich auf der Oberfläche der T-Zellen befinden. Der Marker CD16 ermöglicht die Bindung an den Fc-Rezeptor des IgG-Antikörpers. Über diesen Mechanismus sind die NK-Zellen in der Lage, Pathogene zu lysieren, die zuvor mit IgG “markiert” (opsoniert) wurden. Dieser Prozess wird als antikörperabhängige zellvermittelte Toxizität bezeichnet. NK-Zellen gehören zu einer Gruppe von TCR-negativen Lymphozyten, die als angeborene lymphoide Zellen bekannt sind. Sie ermöglichen die Aktivierung einer frühen Abwehrreaktion, überwachen den Zellstress und bereiten den Organismus auf eine adaptive Immunreaktion vor.
Funktion
Ziel der angeborenen Immunität ist es, eine Entzündung auszulösen und den Organismus auf diese Weise vor Viren zu schützen. Die Entzündungsreaktion wird durch die Aktivierung des alternativen Weges und des Lektinwegs im Rahmen der Komplementkaskade eingeleitet. Dies fördert auch die Freisetzung von Zytokinen, welche gefäßerweiternde Eigenschaften besitzen und Immunzellen an den Ort des Geschehens locken (Chemotaxis). Die Zerstörung viraler Nukleinsäuren wird durch die Produktion von Typ I-Interferonen gefördert.
Adaptives Immunsystem
Während die angeborene Immunität seit der Geburt vorhanden ist, hängt die Entwicklung der adaptiven Immunität von der Antigenexposition ab. Sie besitzt eine höhere Spezifität und eine geringere Reaktionszeit als die angeborene Immunität. Weiter wird sie unterteilt in humorale und zelluläre Komponenten.
Humorales Immunsystem
Das humorale Immunsystem ist für die Erkennung und Verarbeitung extrazellulärer Antigene zuständig. Die B-Lymphozyten besitzen spezielle Immunglobuline, die sogenannten B-Zell-Rezeptoren, auf ihren Zelloberflächen. Der variable Teil des Immunglobulins (Fab-Fragment) hat die Fähigkeit, eine Vielzahl von Antigenen zu binden. Jedoch kann jeder einzelne B-Lymphozyt nur an eine bestimmte Art von Antigenen binden. B-Lymphozyten, welche Antigene zwar binden und erkennen, jedoch keine Antikörper bilden können, werden als naive B-Lymphozyten bezeichnet.
Die Bindung eines naiven B-Lymphozyten an das fremde Antigen führt zu einer Ausreifung dieser B-Zelle zur sogenannten Plasmazelle. Dieser Vorgang wird als B-Zell-Differenzierung bezeichnet. Die Plasmazelle beginnt daraufhin mit der Produktion von Antikörpern, die sich spezifisch gegen den jeweiligen Erreger richten, dem die naive B-Zelle zuvor ausgesetzt war. Diese Antikörper opsonisieren den Erreger anschließend und erleichtern die Komplementaktivierung. Ein anderer Teil der B-Lymphozyten wird nicht zu Plasmazellen, sondern reift stattdessen zu B-Gedächtniszellen heran, die sich schnell zu antikörperproduzierenden Plasmazellen verwandeln können, sobald es zu einer erneuten Infektion mit demselben Erreger kommt.
T-Helferzellen tragen ebenfalls ihren Teil zur humoralen Immunantwort bei. Nachdem ihnen ein Antigen von einer Antigenpräsentierenden Zelle präsentiert wurde, können die T-Helferzellen Makrophagen aktivieren, eine Entzündungskaskade durch Freisetzung von Zytokinen in Gang setzten sowie die Proliferation von noch mehr B- und T-Lymphozyten bewirken.
Zellvermittelte Immunantwort
Die zellvermittelte Immunantwort ist für die Bekämpfung intrazellulärer Pathogene zuständig. Sobald eine antigenpräsentierende Zelle auf einen Krankheitserreger stößt, kann sie den Eindringling mittels Phagozytose aufnehmen, ihn abbauen und Bruchstücke des fremden Antigens auf ihrer Zelloberfläche präsentieren. Diese Strukturen werden als MHC-Antigen-Komplexe bezeichnet und befinden sich auf allen Zelloberflächen. MHC steht hier für Haupthistokompatibilitätskomplex (engl. Major histocompatibility complex). T-Lymphozyten sind in der Lage, an MHCs zu binden und diese zu erkennen.
Beim Menschen werden zwei Untergruppen von MHCs unterschieden: Klasse I und Klasse II. MHC-Klasse-I-Moleküle befinden sich auf allen kernhaltigen Zellen, sowie auf den Thrombozyten. CD8-positive Zellen binden an diese Klasse. MHC-Klasse-II-Moleküle befinden sich auf Antigenpräsentierenden Zellen und werden von CD4-positiven T-Helferzellen gebunden. Die CD8-positiven Zellen werden auch als zytotoxische T-Lymphozyten bezeichnet. Sie binden an die antigenpräsentierende Zelle und induzieren die Apoptose der infizierten Zellen. Weitere antigenpräsentierende Zellen umfassen die bereits erwähnten dendritischen Zellen, follikuläre dendritische Zellen in den Lymphknoten und Makrophagen. Es gibt auch regulatorische T-Lymphozyten, welche bei Bedarf die Aktivierung des Immunsystems unterdrücken und die Proliferation von T-Lymphozyten herunterregulieren können. Auf diese Weise verhindern sie eine überschießende Reaktion des Immunsystems.
Komplementsystem
Funktion und Nomenklatur
Während die meisten angeborenen Abwehrmechanismen zellulärer Natur sind, ist der Komplementweg ein Mechanismus, der auf Serumproteinen beruht, den sogenannten Komplementfaktoren. Mithilfe dieser Faktoren wird die Zellmembran des Pathogens opsoniert (markiert) und perforiert, was letztendlich zum Zelltod des betreffenden Erregers führt. Das Komplementsystem arbeitet an der Schnittstelle von angeborenem und adaptivem Immunsystem und vernichtet Krankheitserreger, indem es einen Entzündungsprozess initiiert und die Phagozytose erleichtert. Es gibt drei gut verstandene Wege, über welche die Komplementkaskade aktiviert werden kann. Der alternative Weg und der Lektin-Weg gehören zum angeborenen Immunsystem, während der klassische Weg dem adaptiven Immunsystem angehört.
Im Gegensatz zum adaptiven Immunsystem besitzt das Komplementsystem kein immunologisches Gedächtnis und entwickelt sich nicht mit der Zeit und durch erneute Exposition gegenüber Erregern weiter. Die Bestandteile des Komplementsystems liegen als Zymogene vor. Hierbei handelt es sich um Proenzyme, die zunächst proteolytisch gespalten werden müssen, um aktiviert werden zu können. Der Schritt der proteolytischen Aktivierung ist wichtig, da die Faktoren des Komplementsystems sonst wahllos binden und auch gesunde Zellen opsonisieren und zu deren Vernichtung führen würden.
Die größte Herausforderung beim Lernen des Komplementsystems besteht darin, sich an seine Nomenklatur und Regeln zu gewöhnen. Zur Bezeichnung des Subtyps der einzelnen Proteine des Komplementsystems, die als Faktoren bezeichnet werden, wird ein alphanumerisches Benennungssystem verwendet. Dieses umfasst eine Kombination aus dem Großbuchstaben 'C' (engl. complement) und einer Nummer von 1-11. Die meisten Faktoren sind durch die Nummern 1 bis 9 abgedeckt. Die Kleinbuchstaben 'a' und 'b' dienen der Beschreibung der Größe des jeweiligen Komplementfragments, wobei das kleinere Fragment mit 'a' und das größere Fragment mit 'b' gekennzeichnet wird. Die Benennung der Komplementrezeptoren erfolgt durch das Hinzufügen von "R" (beispielsweise C1R oder C5aR). Die drei Komplementwege werden durch unterschiedliche Mechanismen in Gang gesetzt. Sie alle laufen jedoch auf eine gemeinsame Endstrecke hinaus, welche zur Opsonierung (Markierung), Porenbildung, Lyse und letztendlich zum Zelltod des Erregers führt.
Klassischer Weg
Der klassische Weg erfordert eine Markierung des Krankheitserregers durch IgM- oder IgG-Immunglobuline. C1 besteht aus den drei verschiedenen Untereinheiten q, r und s. Die größte Untereinheit C1q bindet an den Fc-Teil des IgM. Nun wird die Serinprotease C1r aktiviert, die C1s spaltet. C1s, ein weiteres proteolytisches Enzym, spaltet sowohl C4 als auch C2. Die beiden größten Fragmente dieses Abbauprozesses, C4b und C2a, lagern sich zu C4b2a zusammen. C4b2a ist auch als C3-Konvertase bekannt.
Die C3-Konvertase besitzt proteolytische Aktivität und spaltet C3 zu C3a und C3b auf. C3b lagert sich mit der C3-Konvertase zusammen, um C4b2a3b zu bilden. Diese wird dann auch als C5-Konvertase bezeichnet. C3b besitzt auch die Fähigkeit, Zellmembranen zu binden und Erreger zu opsonieren.
Der letzte Schritt des klassischen Wegs ist die Spaltung von C5 in C5a und C5b durch die C5-Konvertase. C5b ist ein wesentlicher Bestandteil bei der Bildung des Membranangriffskomplexes. Andere Fragmente, die während dieses Prozesses erzeugt werden (C5a, C3a und C4a in der Reihenfolge abnehmender Wirksamkeit), sind Anaphylatoxine, die Basophile, Neutrophile, Mastzellen und Monozyten stimulieren. Dies fördert die Rekrutierung von Phagozyten und die Gefäßstauung als Teil der der Entzündungsreaktion. Zusätzlich fördern die Anaphylatoxine die Kontraktion der glatten Muskulatur und erhöhen die Durchlässigkeit der Blutkapillaren, um die Migration von Immunzellen zum Ort des Entzündungsgeschehens zu ermöglichen.
Lektin-Weg
Der Lektin-Weg ist dem klassischen Weg sehr ähnlich. Die Hauptunterschiede bestehen in den anfänglichen Proenzymen und der Bindungsstelle. Im Gegensatz zur Immunglobulin-Bindungsstelle beim klassischen Weg, wird im Lektin-Weg das Mannose-bindende Lektin (MBL) genutzt. MBL bindet an Mannose auf mikrobiellen Oberflächen. Dies ist analog zu der Bindung von C1q an den Fc-Teil des Immunglobulins im Rahmen des klassischen Weg.
Es gibt zwei MBL-assoziierte Serinproteasen (MASP-1 und MASP-2), die ähnlich wie C1r bzw. C1s funktionieren, so dass MASP-1 durch MBL aktiviert wird und anschließend MASP-2 spaltet. Aktiviertes MASP-2 spaltet dann C4 in C4a und C4b. Wie auch im klassischen Weg, bindet C4b an die mikrobielle Oberfläche und verbindet sich mit C2a, nachdem es ebenfalls durch MASP-2 gespalten wurde. Die resultierende C3-Konvertase (C4b2a) spaltet C3 unter Bildung der C5-Konvertase (C4b2a3b). Die verbleibenden Schritte sind ab diesem Punkt identisch mit dem klassischen Weg.
Alternativer Weg
Im Gegensatz zum klassischen Weg und dem Lektin-Weg beginnt der alternative Weg mit dem Komplementfaktor C3, welcher in C3a und C3b aufgespalten wird. Er wird durch zirkulierende IgA-Immunglobuline oder durch Peptidoglycane (PG) und Lipopolysaccharide (LPS) in der bakteriellen und viralen Zellwand gespalten. Der alternative Weg führt zu einer sehr schnellen Einleitung der Immunantwort, da hierfür keine pathogenbindenden Antikörper erforderlich sind.
Die aktive Form C3b ist an die mikrobielle Oberfläche gebunden und fungiert als Andockstelle für Faktor B (eine andere Serinprotease). Faktor B wird anschließend durch Faktor D gespalten und das verbleibende Faktor Bb-Fragment wird an C3b gebunden, um C3bBb zu bilden. Dieser Komplex wirkt ebenfalls als C3-Konvertase. Der C3-Konvertasekomplex ist jedoch relativ flüchtig und zerfällt schnell. Daher benötigt er ein Stabilisierungsmittel in Form von Properdin, welches auch als Faktor P bekannt ist. Die stabilisierte C3-Konvertase spaltet dann zusätzliche C3-Zymogene unter Bildung von C3bBb3b; auch als C5-Konvertase bekannt. Die C5-Konvertase spaltet C5 auf ähnliche Weise wie im klassischen Weg, und das C5b-Fragment leitet die Bildung des Membranangriffskomplexes ein, welcher zur Zytolyse des Erregers führt.
Membranangriffskomplex
Das Endprodukt aller Komplementwege ist das C5b-Enzym. Es bindet an C6 und C7. C7 erleichtert die Anlagerung des C5b67-Komplexes an die Membran. An den Komplex lagert sich anschließend C8 an. Mit C8 kann der Komplex in die Phospholipid-Doppelschicht eindringen. Anschließend induziert der C5b678-Komplex die Polymerisation von etwa 20 C9-Molekülen, welche einen röhrenförmigen Zugang in die Phospholipid-Doppelschicht der Mikrobe einbauen. Diese Pore wird als Membranangriffskomplex (MAC) bezeichnet. Der Membranangriffskomplex perforiert die Zellmembran, was zur Lyse und zum anschließenden Zelltod des Pathogens führt.
Das lymphatische System als Ganzes, sowie die Milz und der Thymus als einzelne Organe spielen eine wichtige Rolle bei Immunfunktionen. Mit unseren Lerneinheiten kannst du dein Wissen dazu vertiefen:
Klinik
Immunerkrankungen reichen von einer Überaktivität und Überempfindlichkeit bis hin zur Inaktivität, welche sich als Immunschwäche äußert. Es kann auch zu Fehlidentifikationen kommen in denen der Körper beginnt, sich selbst als fremd zu erkennen und körpereigene Strukturen anzugreifen. Dies resultiert dann in Autoimmunreaktionen und Autoimmunerkrankungen.
Überempfindlichkeitsreaktionen
Wenn ein Organismus einem bestimmten Antigen ausgesetzt wird, kann er eine Immunantwort auf dieses Antigen entwickeln, um bei erneutem Kontakt mit demselben Erreger geschützt zu sein. So wird der Organismus auf das betreffende Antigen sensibilisiert. Eine Überempfindlichkeitsreaktion oder allergische Reaktion entsteht, wenn der Kontakt mit einem bestimmten Antigen eine übermäßige Immunantwort hervorruft, die dem Organismus Schaden zufügen kann. Die charakteristischen Merkmale von Überempfindlichkeitsreaktionen sind folgende:
- Der Körper wird vom Immunsystem auf die gleiche Weise attackiert, wie ein fremder Erreger während einer normalen Immunreaktion angegriffen würde.
- Überempfindlichkeitsreaktionen resultieren oft aus einer Störung der Immunmodulatoren, welche die normale Immunantwort regulieren.
- Überempfindlichkeitsreaktionen können sowohl durch endogene als auch durch exogene Antigene aktiviert werden.
- Überempfindlichkeitsreaktionen sind oft mit besonders anfälligen Genen (sogenannten Suszeptibilitätsgenen) verbunden, welche von den Nachkommen geerbt werden.
Die häufigsten Überempfindlichkeitsreaktionen werden basierend auf dem Mechanismus der Immunantwort in vier Gruppen eingeteilt. Die Überempfindlichkeitsreaktionen vom Typ I resultiert aus einer sofortigen Immunantwort, weshalb sie auch als Soforttyp bezeichnet wird. An ihr beteiligt sind:
- Typ2-T-Helferzellen
- Immunglobulin E (IgE-Antikörper)
- Mastzellen
Die Soforttyp-Reaktion ist am häufigsten mit allergischen Reaktionen auf Chemikalien, Lebensmittel oder Pollen verbunden. Bei Patient:innen können Symptome auftreten, die von Niesen, Juckreiz und laufender Nase bis hin zu extremeren Symptomen einer lebensbedrohlichen Schwellung, Verlegung der Atemwege oder einem anaphylaktischen Schock reichen.
Überempfindlichkeitsreaktionen vom Typ II beinhalten die Aktivierung von zytotoxischen Killerzellen mit Hilfe von IgM- und IgG-Antikörpern. Diese Form der allergischen Reaktion kann auch die Aktivierung des Komplementsystems beinhalten. Diese durch Antikörper vermittelte Zytotoxizität bildet die Grundlage für Erkrankungen wie das Goodpasture-Syndrom, den Morbus haemolyticus neonatorum und Abstoßungsreaktionen nach Transplantationen.
Wie bei der Überempfindlichkeit vom Typ II sind bei der Überempfindlichkeit vom Typ III ebenfalls die Antikörper IgM und IgG beteiligt. Anstatt jedoch an die Zelloberfläche zu binden und eine Zytotoxizität auszulösen, bilden die Antikörper Komplexe mit den zirkulierenden Antigenen und lagern sich anschließend in verschiedenen Bereichen des Körpers ab. Diese Komplexe lösen dort eine lokale Entzündungsreaktion aus, welche eine lysosomale Degranulation und die Bildung freier Radikale zur Folge hat, die dann zu Gewebeschäden führen. Dies ist das Grundprinzip bei Erkrankungen wie Polyarteritis nodosa und systemischem Lupus erythematodes.
Die Überempfindlichkeit vom Typ IV erfordert eine Aktivität von zytotoxischen T-Lymphozyten (CTL) sowie von TH1- und TH17-Zellen, um Gewebeschäden zu verursachen. Diese Reaktion tritt normalerweise 2 bis 3 Tage nach Antigenexposition auf und wird daher als verzögerte Reaktion bezeichnet. Die Kontaktdermatitis, chronische Abstoßungsreaktionen nach Transplantationen, sowie die granulomatöse Entzündung beruhen auf diesem Mechanismus. Die vier verschiedenen Überempfindlichkeitsreaktionen sind hier nochmal aufgelistet:
- Soforttyp/Anaphylaktischer Typ - Typ I
- Zytotoxischer Typ - Typ II
- Immunkomplex Typ - Typ III
- Spättyp - Typ IV
Immundefekte
Anstelle einer Überreaktion des Immunsystems auf ein fremdes Antigen, kann es ebenfalls vorkommen, dass das Immunsystem gar nicht mehr in der Lage ist, Pathogene abzuwehren. In diesem Fall liegt ein Immundefekt oder eine Immunschwäche vor. Dies sind Zustände, in denen das Immunsystem des Wirts nicht in der Lage ist, eine angemessene Immunantwort zu bilden. Es werden angeborene (primäre) oder erworbene (sekundäre) Immundefekte unterschieden. Die angeborenen Immundefekte werden je nach betroffenem Bestandteil des Immunsystems weiter unterteilt in:
- Defekte des Komplementsystems
- Defekte der Leukozytenfunktion
- Defekte in der Entwicklung oder Aktivität von B- oder T-Lymphozyten
- Erworbene Ursachen für Immunschwächen können sein:
- iatrogen (Immunsuppression bei Chemotherapie oder um Transplantatabstoßung zu verhindern)
- aufgrund einer Infektion (HIV, HTLV)
- aufgrund eines Nährstoffmangels (kann zu Leukozytopenie führen)
- als Folge einer malignen Erkrankung
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