Blut-Hirn-Schranke
Die Blut-Hirn-Schranke ist eine selektive Diffusionsbarriere der Gefäße des Gehirns. Sie findet sich in fast allen Regionen mit Ausnahme der zirkumventrikulären Organe.
Durch ihre Barrierefunktion verhindert sie den Austritt von Stoffen aus den Blutgefäßen und damit ins Hirnparenchym, aber auch die Aufnahme von Stoffen zurück in die Gefäße.
In diesem Artikel sprechen wir über die Anatomie, den Aufbau und die Funktion der Blut-Hirn-Schranke.
Aufbau |
Okkludenskontakte und Transporter im Endothel der Gefäße bilden die Barriere Barrierefunktion wird durch Signalstoffe der Astrozyten-Endfüßchen aufrechterhalten |
Funktion |
Sehr dicht angelegte Zellen verhindern den parazellulären Transport. Für selektive Transportprozesse enthalten Endothelzellen Transporter für z.B. Glucose oder Aminosäuren. |
Embryologie |
Blut-Hirnschranke ist bereits an der 8. Schwangerschaftswoche ausgebildet und funktionsfähig. Expressionsmuster der Kanalproteine und Transporter unterscheidet sich je nach Entwicklungsstadium und auch zwischen Neugeborenen und Erwachsenen. |
Klinik | Hereditärer GLUT1-Mangel |
- Bestandteile und Aufbau
- Terminologie und der Goldmann-Versuch
- Blut-Hirn-Schranke in Ungeborenen und Neugeborenen
- Klinik
- Literaturquellen
Bestandteile und Aufbau
Die Blut-Hirn-Schranke wird gebildet durch Okkludenskontakte sowie Transporter im Endothel der Gefäße. Es gibt also keine extra "Barriere", die über den Gefäßen oder an den Gefäßen liegt. Bedingt durch zahlreiche zelluläre Modifikationen im Vergleich zu normalen Kapillaren bilden die Gefäße selbst die Blut-Hirn-Schranke.
Endothelzellen der Hirngefäße verfügen über bis zu zehn Okkludensleisten in der Zonula occludens (Tight junctions). Die Zellen sind sehr dicht, sodass ein parazellulärer Transport nahezu unmöglich ist. Im Vergleich zu Kapillarendothel in nicht-neuronalem Gewebe ist die Permeabilität um den Faktor 100 niedriger.
Um dennoch Stoffe durch das Endothel zu transportieren, gibt es zahlreiche Transporter in den Endothelzellen: Glucosetransporter-1, Transferrin-Rezeptoren, eine Vielzahl an Aminosäuretransportern und solche für organische Anionen und Kationen.
Ein wichtiger Transporter aus der Gruppe der Multidrug-Resistance-Transporter ist P-Glykoprotein, welches bestimmte Xenobiotika wieder aus den Zellen entfernt. Zur Aktivierung biogener Amine und Neurotransmitter findet sich unter anderem Monoaminooxidase in hoher Aktivität.
Rolle der Astrozyten
Astrozyten-Endfüße umschlingen das Gefäßendothel relativ dicht.
Dennoch sorgt diese Schicht aus Astrozyten-Endfüßchen für keinerlei Barriereschutz.
Trotzdem werden sie zum System der Blut-Hirn-Schranke gezählt, da sie einerseits zum Mikromilieu der perivaskulären Areale beitragen und andererseits durch verschiedene Signalstoffe die Barrierefunktion des Endothels aufrechterhalten.
Terminologie und der Goldmann-Versuch
Der Begriff Blut-Hirn-Schranke entstammt älteren anatomischen und physiologischen Vorstellungen, dass keine Stoffe in den Liquor übergehen.
Der sogenannte 1. Goldmann-Versuch belegte diese Vorstellung. Wird Trypanblau periphere intravenös injiziert, färben sich so gut wie alle Organe mit Ausnahme von Gehirn und Rückenmark blau an. Einzige Ausnahme bilden die Area postrema, das Tuber cinereum und die Spinalganglien. Goldmann belegte damit, dass Stoffe aus dem venösen Blut nicht in das Gehirn übergehen und somit eine Barriere dazwischen liegen muss.
Jedoch haben neuere Untersuchungen gezeigt, dass diese Barriere eben nicht so undurchlässig ist wie ursprünglich vermutet, sondern dass Stoffe selektiv aufgenommen werden können. Da Stoffe bedarfsgesteuert transportiert werden können, ist es sinnvoll, von einer selektiven Barriere zu sprechen.
Der 1. Goldmann-Versuch ist vom 2. Goldmann-Versuch zu unterscheiden, der den Nachweis einer Blut-Liquor-Schranke erbrachte.
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Blut-Hirn-Schranke in Ungeborenen und Neugeborenen
Bis Ende des 20. Jahrhunderts hielt sich die Ansicht, beim Ungeborenen und beim Neugeborenen wäre die Blut-Hirn-Schranke unvollständig ausgebildet oder fehle.
Ursache dieses Missverständnisses ist zweierlei. Zum einen wurden anatomische Versuche zur Untersuchung häufig an Tieren vorgenommen. Dabei wurden zum Teil Volumina injiziert, die so groß waren, dass die Blut-Hirn-Schranke aufgrund des mechanischen Druckes des zusätzlichen Volumens förmlich aufgerissen wurde. Zum anderen wurden Farbstoffe verwendet, deren osmotische Eigenschaften so ausgeprägt waren, dass es schlicht zum Zerreißen der embryonalen Kapillargefäße kam.
Die Ergebnisse dieser Untersuchungen waren also aufgrund z.T. massiver methodischer Mängel nicht korrekt interpretiert worden. Diese Mängel beruhten wiederum auf fehlenden Kenntnissen dieser Zeit.
Die Blut-Hirn-Schranke ist weder inaktiv noch fehlt sie bei Un- oder Neugeborenen. Sie ist bereits etwa ab der 8. Schwangerschaftswoche ausgebildet und funktionsfähig.
Ihre Funktion entspricht der des adulten Menschen, allerdings sind die Expressionsmuster der Kanalproteine und Transporter unterschiedlich. Diese Expressionsmuster unterscheiden sich je nach Entwicklungsstadium. Das Gehirn des Ungeborenen hat beispielsweise einen höheren Bedarf an bestimmten Aminosäuren, sodass die Expression und die Aktivität von Aminosäuretransportern erhöht ist.
Die Blut-Hirn-Schranke erstreckt sich, wie erwähnt, über das Blutgefäßsystem des Gehirns. Nachfolgend haben wir Lernmedien zusammengestellt, durch die du mehr zu diesen Gefäßen erfahren kannst.
Klinik
Störungen der Blut-Hirn-Schranke können verschiedene Ursachen haben. Entzündliche und infektiöse Erkrankungen des Gehirns können genauso die Schrankenfunktion beeinflussen wie vaskuläre Pathologien. Zudem können neurodegenerative Erkrankungen, Tumore und Metastasen zu einer eingeschränkten Funktion der Blut-Hirn-Schranke führen.
All diese Erkrankungen sind relativ häufig und nicht selten ist die Einschränkung der Schrankenfunktion temporär und überwiegend reversibel. Das Problem liegt also in diesen Fällen in einer erhöhten Durchlässigkeit, sodass unerwünschte Stoffe ins Gehirn gelangen.
Die umgekehrte Problematik ist eine zu dichte Blut-Hirn-Schranke. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn Mutationen in Genen, die für bestimmte Transporter kodieren, die Produktion dieser Transporter verhindern. Dadurch fehlen diese, die Schranke ist “verschlossen” und das Gehirn wird unterversorgt.
Ein Beispiel dafür ist ein hereditärer GLUT1-Mangel, eine extrem seltene autosomal-dominant vererbte Erkrankung. Wegen des Fehlens von GLUT1-Transportern fehlt bereits dem Gehirn des Ungeborenen Glukose in großer Menge. Es kommt zu Fehlbildungen, geistiger Retardierung und verschiedenen neurologischen Störungen. Es gibt keine Heilungsmöglichkeit, lediglich der möglichst hinreichende Verzicht auf Glucose und eine ketogene Ernährung und damit ein Wechsel des Hauptenergieträgers kann das Problem umgehen.
Obwohl solche Mutationen selten sind, veranschaulichen sie ein klinisch-praktisches Problem: Eine geöffnete Blut-Hirn-Schranke kann ggf. auch über längere Zeit kompensiert oder toleriert werden, eine undurchlässige hingegen geht von Beginn an mit schweren Komplikationen einher.
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