Vorderseitenstrang
Der Vorderseitenstrang ist ein paarig angelegtes kräftiges Faserbündel des Rückenmarks, das protopathische Fasern führt.
Er besteht aus dem:
- Tractus spinothalamicus anterior
- Tractus spinothalamicus lateralis
- Tractus spinoreticularis
- Tractus spinotectalis
Den größten Anteil machen der Tractus spinothalamicus anterior und der Tractus spinothalamicus lateralis aus, die von der Hinterwurzel des Rückenmarks nach zentral ziehen. Sie sind streng somatotop gegliedert und führen zum Thalamus. Obwohl nicht beide Tractus Schmerzimpulse fortleiten, werden sie der Schmerzbahn zugeordnet.
Neben den beiden nach zentral ziehenden Tractus, leiten der Tractus spinoreticularis und der Tractus spinotectalis protopathische Impulse zu subkortikalen Abschnitten: zur Formatio reticularis und zum Tectum mesencephali sowie umliegenden Regionen.
Tractus spinothalamicus anterior |
Weiterleitung von protopathischen Impulsen zum Gyrus postcentralis Keine Schmerzempfindungen |
Tractus spinothalamicus lateralis | Weiterleitung von Schmerz- und Temperaturempfindungen zum - Gyrus postcentralis |
Tractus spinoreticularis | Fasern verlaufen mit oder im Tractus spinothalamicus anterior zur Formatio reticularis und Thalamus-Kernen |
Tractus spinotectalis | Fasern verlaufen mit Tractus spinothalamicus lateralis und enden im Tectum mesencephali |
Verlauf und Verschaltung
Tractus spinothalamicus anterior
Tastkörperchen in der Haut sowie Sensoren, die um die Haarfollikel herum angeordnet sind, liefern protopathische Impulse. Dazu zählen das grobe Tast- und Berührungsempfinden sowie das grobe Druckempfinden, jedoch nicht das Schmerzempfinden. Die Perikaryen dieser Axone liegen in den Spinalganglien. Sie verzweigen sich im Hinterhorn des Rückenmarks und ziehen einige Spinalnervensegmenthöhen nach kranial (2 bis 15) und kaudal (1 bis 2). Ihre Axone enden an Neuronen der Hintersäule, wo sie auf das 2. Neuron umgeschaltet werden.
Die Axone kreuzen über die Commissura anterior und ziehen zum Vorderseitenstrang, wo sie den Tractus spinothalamicus anterior bilden. Sie steigen auf zum Nucleus ventralis posterolateralis des Thalamus. Auf dem Weg dorthin schließen sie sich dem Lemniscus medialis an. Die Faserbahn endet im Gyrus postcentralis, der zum somatosensiblen Cortex gehört.
Tractus spinothalamicus lateralis
Freie Nervenendingungen in der Haut, die als Sensoren für Schmerz und Temperaturreize fungieren und deren Perikarya im Spinalganglion liegen (1. Neuron), werden im Hinterhorn des Rückenmarks auf das 2. Neuron umgeschaltet. Von dort ziehen die Fasern über die Commissura anterior zum Vorderstrang, wo sie als Tractus spinothalamicus lateralis ohne weitere Umschaltung zum Thalamus ziehen. Von dort projizieren sie weiter in Richtung Gyrus postcentralis, der Teil des somatosensiblen Cortex ist.
Tractus spinoreticularis
Die Fasern der Tractus spinoreticularis entstammen ebenso dem Hinterhorn des Rückenmarks. Seine Fasern verlaufen mit oder direkt im Tractus spinothalamicus anterior, in der Regel sind sie nicht voneinander abgrenzbar. Sie gehen in verschiedenen Höhen des Rückenmarks ab und münden in die Formatio reticularis. Ein Teil der Fasern zieht direkt zu Kernen des Thalamus weiter.
Tractus spinotectalis
Seine Fasern entstammen ebenfalls dem Hinterhorn des Rückenmarks. Der Tractus spinotectalis schließt sich dem Tractus spinothalamicus lateralis an und zieht zum Mittelhirn, die Fasern enden in den tiefen Schichten des Tectum mesencephali.
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Funktion
Im Vorderseitenstrang verlaufen auch Informationen zu Reizen wie Kitzeln, Jucken und sexuelle Stimulation. Zudem sind auch nozizeptive Fasern in der Lage durch groben Druck ausgelöste Reize fortzuleiten.
Somatotopie
Die Fasern der Tractus spinothalamici sind somatotop aufgebaut. Fasern aus zervikalen Spinalnervensegmenten liegen nahe des Vorderhorns, also medial, während Fasern aus sakralen Spinalnervensegmenten am weitesten lateral zu finden sind.
WDR-Neurone
In den Vorderseitensträngen finden sich auch Axone von WDR- Neuronen (wide-dynamic-range). Diese besitzen große rezeptive Felder über die sie die Impulse vieler peripherer hoch- und niederschwelliger Mechano- und Thermorezeptoren sowie nozizeptive Afferenzen über C-Fasern erhalten. Ihre Funktion ist noch nicht vollständig untersucht, es ist jedoch bekannt, dass sie an der Intensitätsdiskrimination von Schmerzwahrnehmungen beteiligt sind.
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Freie Nervenendingungen
Freie Nervenendigungen sind überwiegend die anatomischen Korrelate der nozizeptiven Sensibilität. Dennoch nehmen sie sehr verschiedene Reize auf und sind damit nicht exklusiv der Schmerzbahn zuzuordnen, sondern können ganz verschiedenen Sinnesmodalitäten dienen: Temperatur, Jucken, grober Druck, grobe Berührung, wahrscheinlich auch sexuelle Stimulation und andere. Entscheidend für die Zuordnung zu einer Sinnesmodalität ist der molekulare Rezeptorbesatz. Die Fasern der Tractus spinothalamici leiten Empfindungen der Haut vom Rückenmark bis unter anderem zum Thalamus.
Die nachfolgenden Medien geben dir einen Überblick über die Anatomie des Rückenmarks.
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