Hippocampus
Der Hippocampus ist ein Teil des limbischen Systems und befindet sich am Boden des Unterhorns des Seitenventrikels.
Er macht den Hauptanteil des Archikortex aus und ist funktionell vor allem an an der Bildung und Aufrechterhaltung von Gedächtnisinhalten sowie an Lernprozessen beteiligt.
Darüber hinaus steht er auch mit Funktionen des endokrinen Systems, der Verarbeitung viszeraler Informationen, sowie dem Gesamtsystem der Emotionsbildung und -verarbeitung in Verbindung. Daher gilt der Hippocampus auch als Integrationszentrum.
In diesem Artikel gehen wir genauer auf die Anatomie, Histologie und Funktion dieser spannenden Struktur ein.
Aufbau |
Zwei Teile: Ammonshorn und Gyrus dentatus Drei Schichten: eine polymorphe, eine zellreiche und eine molekulare Schicht |
Lage | Am Boden des Unterhorns des Seitenventrikels |
Funktion |
Teil des limbischen Systems Bildung und Aufrechterhaltung von Gedächtnisinhalten und Lernprozessen Emotionsbildung und Emotionsverarbeitung |
Verschaltungen |
Afferenzen aus entorhinaler Rinde, Amygdala, Hypothalamus, Thalamus Verbindungen zu hippocampalen Strukturen der Gegenseite |
Aufbau
In einem Frontalschnitt lässt sich der Hippocampus in zwei Teile gliedern: das Ammonshorn (Cornu ammonis), ein eingerolltes Band, das sich gegen den Ventrikel vorwölbt, sowie der Gyrus dentatus.
Das Ammonshorn ist eine paarig angelegte geschwungene Struktur an der Innenwand des Corpus callosum. Der Gyrus dentatus, dessen Name seine gezahnte Form beschreibt, befindet sich an der medialen Innenseite des Ammonshorns.
Im Gegensatz zum 6-schichtigen Aufbau des Neokortex, besitzt der Hippocampus drei Schichten:
- eine polymorphe Schicht
- eine zellreiche Schicht
- eine molekulare Schicht
Diese Schichtung findet sich sowohl im Ammonshorn, als auch im Gyrus dentatus. Durch Aufrollung und Faltung liegen die Schichten beider Regionen direkt aufeinander und können den Eindruck eines sechsschichtigen Aufbaus erwecken.
Histologie
Ammonshorn
Das Ammonshorn ist in vier Sektoren unterteilt, die mit CA1 bis CA4 bezeichnet werden. CA1 grenzt direkt an das Subiculum und wird auch als Sommer-Sektor bezeichnet. Beim Menschen ist dieser Teil sehr stark ausgeprägt.
In der mittleren Schicht von CA1 und CA2 finden sich vornehmlich Pyramidenzellen. Diese Schicht lässt sich selbst noch einmal unterteilen in Stratum profundum und Stratum superficiale. In CA1 sind die Pyramidenzellen klein, in CA2 ist die Schicht zwar schmaler, aber die Zellen sind größer.
CA3 besitzt eine homogene mittlere Schicht, in der große Pyramidenzellen locker verteilt sind. Diese aufgelockerte Anordnung setzt sich in CA4 fort. Die Sektoren CA1 und CA2 werden als Regio superior zusammengefasst, CA3 und CA4 als Regio inferior.
Gyrus dentatus
Im Gyrus dentatus ist die mittlere Schicht reich an dicht gepackten Körnerzellen, deren Axone sich bis in die Molekularschicht erstrecken. Die Axone der Körnerzellen enden nur an Zellen von CA3 und CA4 des Ammonshorns. Anders als das Ammonshorn besitzt der Gyrus dentatus keine einzelnen Sektoren mit unterschiedlicher Schichtzusammensetzung. Er geht ohne scharfe Begrenzung in Region CA4 über.
Lage
Die Ammonshörner beider Seiten treffen sich am obersten Punkt der Innenwände des Corpus callosum, ziehen aufeinander zu (Crurae fornicis) und gehen in die Fornix über.
An das Ammonshorn schließt sich die entorhinale Rinde an, die nicht zum Hippocampus gehört. Den Übergangsbereich zwischen beiden Strukturen bildet das Subiculum. Wegen des unmittelbaren Überganges vom Ammonshorn in die Fornix, werden beide Strukturen gemeinsam mit dem Subiculum als Hippocampus-Formation zusammengefasst.
Verbindungen
Die wichtigste Afferenz des Hippocampus ist die ihr direkt anliegende entorhinale Rinde, welche Informationen aus dem Bulbus olfactorius, dem Corpus amygdaloideum sowie verschiedenen Arealen des Neokortex erhält. Die entorhinale Rinde gilt daher als "Tor" zum Hippocampus.
Informationen aus der Amygdala erreichen den Hippocampus auch auf direktem Wege, ohne Umweg über die entorhinale Rinde. Zudem gelangen Projektionen aus dem Hypothalamus zum Hippocampus. Beide Afferenzen vermitteln viszerale und gustatorische Informationen.
Fasern des Tractus spinothalamicus, die im medialen Thalamus umgeschaltet werden, projizieren zum Teil ebenfalls in den Hippocampus. Sie leiten nozizeptive Informationen weiter.
Nahezu alle Efferenzen ziehen über den Fornix aus der Hippocampusformation. Die Fasern gelangen in die Areae preoptici, das Septum, in Kerne des basalen Vorderhirns (z.B. Ncl. accumbens) sowie zu thalamischen und hypothalamischen Kerngebieten.
Gyrus dentatus, Ammonshorn und Subiculum besitzen zudem intrinsische Verbindungen, die einen intrahippocampalen Informationsaustausch ermöglichen. Außerdem bestehen Faserverbindungen mit den hippocampalen Strukturen der jeweiligen Gegenseite, sodass die Hippocampusformation trotz ihrer paarigen Anlage womöglich als eine gesamte Struktur funktioniert.
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Funktion
Der Hippocampus ist wegen seiner starken Verknüpfung mit zahlreichen anderen Arealen ein Integrationszentrum für Informationen aus Sinnessystemen, die eine Vielzahl von Sinnesmodalitäten aufnehmen.
Diese Informationen tragen zur Bildung von komplexem Gedächtnisinhalten bei, die über die reine Gedächtnisspeicherung von Daten hinausgehen.
Neuronenkreise
Diese Bildung und Speicherung von komplexen Gedächtnisinhalten steht mit mehreren Neuronenkreisen in Verbindung. Dabei handelt es sich um Informationen, die zwischen verschiedenen anatomischen Strukturen ohne Unterlass kursieren. Je länger die Information in einem Neuronenkreis verbleibt, desto eher wird sie gespeichert. Daher ist ständige Wiederholung das Grundprinzip zur Speicherung von Informationen.
Der wichtigste Neuronenkreis für die Bildung und Speicherung von Gedächtnisinhalten ist der Papez-Neuronenkreis. Dort kreist eine Information von und zum Hippocampus. Der Hippocampus leitet die Information über die Fornix zu den Corpora mamillaria, von wo aus sie über den Tractus mamillothalamicus (Vicq-d'Azyr-Bündel) zu den vorderen Thalamuskernen (Nuclei anteriores thalami) zieht. Von dort gelangt die Information über den Tractus thalamocingularis zum Gyrus cinguli und zurück zum Hippocampus.
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Klinik
Der Hippocampus ist maßgeblich an der Pathophysiologie des Morbus Alzheimer beteiligt.
Im Verlauf einer Alzheimer-Erkrankung kommt es zunächst zu Veränderungen auf zellulärer Ebene, insbesondere an dopaminergen Synapsen.
Schreitet die Erkrankung weiter voran, mitunter aber auch schon in früheren Stadien, zeigt sich ein Rückgang der Zellmasse des Hippocampus, die sich in der Magnetresonanztomographie als Hypotrophie und Zelluntergang von Neuronen des Hippocampus darstellt.
Der M. Alzheimer ist eine rein klinische Diagnose, da es kein beweisendes diagnostisches Verfahren für das Vorliegen der Erkrankung gibt. Die bildgebende Darstellung des Gehirns mit einem rückgängigen Volumen der Hippocampusformation gilt jedoch, neben Gedächtnis- und Merkfähigkeitsstörungen, als eines der Zeichen für diese Erkrankung.
Läsionen des Hippocampus führen zu ausgeprägten Gedächtnisstörungen. Werden Areale, die Teil des Papez-Neuronenkreises sind, zerstört, führt dies vor allem zu Störungen des Kurzzeitgedächtnisses, also bei der Speicherung neuer Inhalte. Langzeiterinnerungen sind dagegen praktisch nicht betroffen.
Therapeutisch nutzt man diesen Umstand, indem vor allem bekannte Gedächtnisinhalte reaktiviert und gestärkt werden sollen. Dadurch können bei Patient:innen Entfremdungserlebnisse, die durch die Gedächtnisstörungen verursacht werden, in ihrer Wirkung abgeschwächt werden.
Im Rahmen von Ischämien kann es zur Minderversorgung des Hippocampus kommen. In einem solchen Falle ist die neuronale Degeneration im Sommer-Sektor am stärksten ausgeprägt. Therapeutisch gilt es, wie bei allen Ischämien, die Ischämiezeit so weit es geht zu verkürzen.
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