Plazentaschranke
Die reife Plazenta, ein während der Schwangerschaft gebildetes Organ, besitzt maßgeblich zwei Funktionen: den Austausch von Stoffwechselprodukten und Gasen zwischen mütterlichem und fetalem Blut sowie die Bildung von Hormonen.
Der Aufbau und die endokrine Funktion der Plazenta werden im Artikel über die Plazenta näher beschrieben. An dieser Stelle soll es ausschließlich um die Plazentaschranke, auch Blut-Plazenta-Barriere genannt, gehen. Dieser Terminus erwächst daher, dass die Mutter vom Blut des Ungeborenen geschützt ist und umgekehrt.
In diesem Artikel gehen wir genauer auf die Anatomie, den histologischen Aufbau und die Funktion der Plazentaschranke ein.
Aufbau | Trophoblastenschicht mit Basallamina lockeres Bindegewebe Kapillarendothel mit Basallamina |
Funktion |
Spezifischer Stofftransport: Zufuhr von Sauerstoff, Glukose, Proteinen, Aminosäuren, Ionen, Immunglobuline Abgabe von Gasen, Wasser, Fettsäuren, Steroidhormonen, lipophilen Vitaminen, Harnstoff |
Aufbau
Da der Keim einen eigenen Stoffwechsel hat, bestünde ohne die Plazentaschranke die Gefahr, dass die Mutter bei Störungen unmittelbar von Metaboliten des kindlichen Stoffwechsels überflutet würde. Biologisch handelt es sich bei einer Schwangerschaft um eine Parasit-Wirt-Situation und nicht um eine symbiotische Verbindung. Daher bedarf es nicht nur eines Schutzes des Ungeborenen vor der Mutter, sondern auch umgekehrt.
Anatomisch ist das Ungeborene gegenüber dem Blut der Mutter hermetisch abgeriegelt. Die Schrankenfunktion kommt dadurch zustande, dass die Gefäßstrukturen für bestimmte Stoffe und einzelne Makromoleküle selektiv permeabel sind. Das Prinzip ähnelt dem der Blut-Hirn-Schranke.
Die reife Plazentaschranke besteht nur noch aus drei Schichten. Im Laufe der Reifung werden die Kapillaren dicht unter den Trophoblasten verlagert. Trophoblast und Basallamina des Endothels verschmelzen miteinander. Das Kaliber der Zotten verringert sich erheblich, die Dicke des Trophoblasten nimmt zu. Damit reduziert sich die Diffusionsstrecke des maternofetalen Weges erheblich – von anfänglich rund 100 μm auf etwa 4 bis 5 μm.
Gleichzeitig nimmt die Oberfläche der Zottenbäume von nur wenigen Millimetern auf über 10 m² zum Geburtstermin zu. Somit kann die Zufuhr an verschiedenen Stoffen über das mütterliche Blut bedarfsgerecht steigen.
Du hast noch Schwierigkeiten, dir so viel auf einmal zu merken? Hier zeigen wir dir, wie du auch komplexe Themen ganzheitlich lernen kannst!
Mechanismen
Eine Reihe von Mechanismen erlauben den spezifischen Stofftransport.
Gase, Wasser und Fettsäuren, Steroidhormone sowie lipophile Vitamine und Harnstoff werden durch Diffusion abgegeben. All jene Stoffe, mit Ausnahme von Wasser und Gasen, sind lipophil bzw. apolar. Sie werden teilweise durch lipidbindende Proteine transportiert.
Sauerstoff wird ebenfalls durch Diffusion geleitet. Er löst sich deshalb vom mütterlichen Hämoglobin, weil fetales Hämoglobin eine deutlich höhere Bindungsaffinität für O2-Moleküle bietet. Dies ist auf eine abweichende räumliche Struktur des Hämoglobin-Moleküls zurückzuführen.
Glukose als wichtigster Nährstoff wird über Glukosetransporter vom Typ GLUT1 durch Bürstensam und basale Membran des Synzytiotrophoblasten geschleust (erleichterte Diffusion). Das Gefäßendothel wird vermutlich durch GLUT3-Transporter passiert.
Aminosäuren und wasserlösliche Vitamine benötigen Co-Transporter, die wiederum durch entsprechende Ionen-Austauscher ihren Gradienten erhalten.
Calcium und Eisen wird in großen Mengen vom Fötus beansprucht. Der Transport von Calciumionen geschieht durch luminale Calciumkanäle im Synzytiotrophoblasten. Basal wiederum verlassen Calciumionen die Zellen durch einen Na+/Ca2+-Austauscher, der für jedes Natriumion, das einströmt, ein Calciumion in Richtung Fötus abgibt.
Eisenionen (Fe3+) werden luminal hingegen durch rezeptorvermittelte Endozytose von Transferrinproteinen aufgenommen. Wie die basale Abgabe erfolgt, ist nicht hinreichend geklärt.
Proteine und LDL-Cholesterin, beide ebenfalls in großen Mengen benötigt, gelangen auf verschiedenen Wegen zu ihrem Bedarfsort. Der überwiegende Teil der fetalen Proteine wird aus endozytierten Proteinen, die in ihre Aminosäuren zerlegt werden, gebildet. LDL-Cholesterin wird ebenfalls endozytotisch aufgenommen. Cholesterin dient der Einschleusung in den Fettstoffwechsel des Fötus und wird zum Aufbau von Zellmembranen benötigt.
Die Versorgung des Feten mit Immunglobulin G (IgG) erfolgt über die Plazenta. Immunglobulin A (IgA) erhält das Neugeborene später durch die Muttermilch, Immunglobulin M (IgM) wird erst nach Ausreifung des Immunsystems selbst gebildet.
IgG wird durch luminale Rezeptoren gebunden und an der basal gelegenen Seite abgegeben. Der Erhalt von IgG stattet das Ungeborene mit einer passiven Immunität aus und zwar gegen solche Erreger, gegen die die Mutter bereits Antikörper gebildet hat. Die Transzytose von IgG findet nur in maternofetaler Richtung statt, das verhindert den Übertritt fetaler Proteine in das Blut der Mutter. Letzteres würde zu einer anaphylaktischen Reaktion der Mutter auf diese Proteine führen, da es sich für den mütterlichen Organismus um Fremdproteine handelt.
Vertiefe und prüfe dein Wissen über die Plazenta und den Uterus! Schau dir dafür die hier zusammengestellten Lernmaterialien an:
Klinik
Durchtritt von Pathogenen
Die Plazentaschranke ist im Wesentlichen dicht. Jedoch gibt es, wie in allen biologischen Systemen, dafür keine absolute Garantie. Sie kann lokale Defekte aufweisen, die unter anderem auf eine Dysbalance der lokalen Sekretion von Wachstumsfaktoren zurückzuführen sein können. Eine Wachstumsfaktor-Homöostase ist notwendig für die Intaktheit der Plazentaschranke: Sie regelt die Permeabilität des Endothels.
Blutzellen der Mutter, pathogene Keime und Viren können die Plazentabarriere, sofern sie hinreichend durchlässig ist, dann passieren. Der genaue Mechanismus des Übertritts ist für viele Erreger noch nicht hinreichend geklärt.
Gelingt ein solcher Übertritt kann eine Infektion des Fötus die Folge sein, im Falle von Röteln, Toxoplasmose-Erregern, Zytomegalie-Viren und dem Erreger der Syphilis kann das zu schwerwiegenden Schädigungen des Fötus und ggf. auch der Mutter führen.
Nanopartikel
Partikel in Nanometergröße sind heutzutage vielerorts anzutreffen: in Kosmetika, Verpackungen und auch in der freien Atemluft. Letztere gelangen über verschiedenste Wege in die Umwelt.
Bisher nahezu ungeklärt ist die Frage nach der Folge für den Fötus. Erste Untersuchungen haben bisher gezeigt, dass Nanopartikel praktisch problemlos die Plazentaschranke passieren können. Ihre Wirkung im Ungeborenen ist jedoch bisher nicht erforscht, Langzeitfolgen sind unklar.
Du willst mehr über das Thema Plazentaschranke lernen?
Unsere Videotutorials, interaktiven Quizze, weiterführenden Artikel und ein HD Atlas lassen dich Prüfungen mit Bestnoten bestehen.
Womit lernst du am liebsten?
”Ich kann ernsthaft behaupten, dass Kenhub meine Lernzeit halbiert hat.”
–
Mehr lesen.