Aktionspotential
Mit der Entwicklung der Elektrophysiologie und der Entdeckung der elektrischen Aktivität von Neuronen stellte sich heraus, dass die Übertragung von Signalen von Neuronen an ihr Zielgewebe durch Aktionspotentiale vermittelt wird.
Ein Aktionspotential ist definiert als eine plötzliche, schnelle, vorübergehende und sich ausbreitende Veränderung des Ruhemembranpotentials. Nur Neuronen und Muskelzellen sind in der Lage, ein Aktionspotential zu erzeugen. Diese Eigenschaft wird als Erregbarkeit bezeichnet.
Dieser Artikel erläutert die Physiologie, den Ablauf und die Phasen des Aktionspotentials.
Definition | Plötzliche, schnelle, vorübergehende und sich ausbreitende Änderung des Ruhemembranpotentials |
Phasen |
Initiationsphase (Depolarisation) Aufstrich (Depolarisation) Repolarisation Hyperpolarisation Refraktärzeit |
Refraktärzeit |
Absolute Refraktärphase: Repolarisation noch nicht abgeschlossen (Zelle nicht erregbar) Relative Refraktärphase: Reizschwelle für die Auslösung neuer Aktionspotentiale ist erhöht (Zelle wieder erregbar) |
Definition
Aktionspotentiale sind Nervensignale, die von Neuronen erzeugt und entlang ihrer Axone weitergeleitet werden, um sie an ein Zielgewebe zu übertragen. Das Zielgewebe wird somit entweder stimuliert, gehemmt oder in irgendeiner Weise moduliert.
In der folgenden Lerneinheit erfährst du alles über die Arten und den Aufbau von Nervenzellen:
Ablauf
Doch wie entsteht das Aktionspotential? Aus elektrophysiologischer Sicht wird es durch einen Reiz mit einem bestimmten Wert, ausgedrückt in Millivolt [mV], ausgelöst. Nicht alle Reize können ein Aktionspotential auslösen. Ein geeigneter Reiz muss einen ausreichenden elektrischen Wert erreichen, der die Negativität der Membran der Nervenzelle auf den Schwellenwert anhebt. Somit gibt es unterschwellige und überschwellige Reize. Unterschwellige Reize können kein Aktionspotential auslösen, da sie den Schwellenwert nicht erreichen. Überschwellige Reize erreichen den Schwellenwert und haben somit genug Intensität, um ein Aktionspotential auszulösen und den Nervenimpuls weiterzuleiten.
Ein Aktionspotential wird also erzeugt, wenn ein Reiz das Membranpotential auf den Wert des Schwellenpotentials verändert. Das Schwellenpotential liegt bei Neuronen bei etwa -50mV und bei Herzmuskelzellen bei etwa -65mV. Es ist wichtig zu wissen, dass sich das Aktionspotential nach dem Alles-oder-Nichts-Gesetz verhält. Das bedeutet, dass ein Reiz unterhalb der Schwelle kein Aktionspotential erzeugen kann, während alle Reize, die das Schwellenpotential und mehr erreichen, eine vollständige Reaktion der erregbaren Zelle hervorrufen.
Weiterhin ist die erzeugte Reaktion der Nerven- oder Muskelzelle immer identisch, unabhängig davon, ob der Reiz genau das Schwellenpotential trifft oder stark überschwellig ist. Die Länge und Amplitude eines Aktionspotentials ist immer gleich. Eine Erhöhung der Reizstärke spiegelt sich nur in der Frequenz wider.
Ein Aktionspotential breitet sich so entlang einer Nervenfaser aus, ohne dass Amplitude und Länge abnehmen oder schwächer werden. Nach Ablauf eines Aktionspotentials ist die entsprechende Nervenfaser jedoch für eine bestimmte Zeit nicht mehr erregbar. Dies wird als Refraktärzeit bezeichnet und stellt sicher, dass die Erregungsausbreitung immer nur in eine Richtung erfolgt, vom Soma (Nervenzellkörper, Perikaryon) zu den Axonendigungen.
Phasen
Aktionspotentiale werden durch vorübergehende Änderungen der Membrandurchlässigkeit (Permeabilität) für Ionen erzeugt. Der ankommende Reiz führt dazu, dass sich Ionenkanäle öffnen und Ionen sich entlang ihrer Konzentrationsgradienten verschieben, was eine Veränderung des Membranpotentials bewirkt. Der Wert des Schwellenpotentials hängt von der Permeabilität, den intra- und extrazellulären Ionenkonzentration und den Eigenschaften der Zellmembran ab.
Ein Aktionspotential besteht aus fünf Phasen:
- Initiationsphase (Depolarisation)
- Aufstrich (Depolarisation)
- Repolarisation
- Hyperpolarisation
- Refraktärzeit
Die Initiationsphase und der Aufstrich bilden gemeinsam die Depolarisation der Nervenzelle. Die Initiationsphase beschreibt den anfänglichen Anstieg des Membranpotentials auf den Wert des Schwellenpotentials. Während dieser Phase steigt das Membranpotential von etwa -70 mV auf etwa -55 mV an. Wird das Schwellenpotential erreicht, öffnen sich rasch spannungsgesteuerte Natriumkanäle, es folgt ein starker Einstrom von Natriumionen in das Neuron und es kommt zu einem schnellen Aufstrich und somit zu einer vollständigen Depolarisation. Während dieser Phase sind die Kaliumkanäle geschlossen und das Innere der Zelle wird immer elektropositiver, bis sich das Potential dem elektrochemischen Gleichgewicht für Natrium von +61 mV nähert. Diese Phase der extremen Positivität wird als Overshoot bezeichnet.
Kurz vor dem Overshoot fangen die Natriumkanäle an sich zu schließen und die Natriumpermeabilität nimmt wieder ab. Es öffnen sich nun spannungsabhängige Kaliumkanäle, was zu einem starken Kaliumausfluss führt und die Elektropositivität der Zelle wieder verringert. Diese Phase ist die Repolarisationsphase, deren Ziel die Wiederherstellung des Ruhepotentials ist. Während sich das Membranpotential dem Ruhepotential annähert, schließen sich die Kaliumkanäle wieder. Doch dieser Prozess ist deutlich langsamer als das Schließen der Natriumkanäle und führt zu einer Hyperpolarisation, bei der das Membranpotential kurzfristig sogar negativer wird als das Ruhepotential. Es dauert anschließend nur wenige Sekunden, bis die Membran wieder die Werte des Ruhemembranpotentials hergestellt hat.
Das Ruhepotential kann mit der Nernst-Gleichung oder der Goldman-Hodgkin-Katz-Gleichung berechnet werden.
Refraktärzeit
Die Refraktärzeit ist die Zeit nach der Erzeugung eines Aktionspotentials, in der die erregbare Zelle kein weiteres Aktionspotential erzeugen kann. Es wird eine absolute und eine relative Refraktärzeit unterschieden.
Die absolute Refraktärzeit überschneidet sich mit der Depolarisationsphase und etwa 2/3 der Repolarisationsphase und dauert bei Nervenzellen und Skelettmuskelzellen ungefähr 1 - 2 ms, bei Herzmuskelzellen etwa 250 ms. Während der Depolarisation kann kein neues Aktionspotential erzeugt werden, da alle spannungsabhängigen Natriumkanäle bereits geöffnet sind. Auch während der frühen Repolarisation ist ein neues Aktionspotential nicht möglich, da die Natriumkanäle inaktiv sind und erst das Ruhepotential benötigen, um sich in einem geschlossenen Zustand zu befinden, aus dem sie wieder in einen geöffneten Zustand übergehen können.
Selbst sehr starke Reize können während der absoluten Refraktärzeit kein neues Aktionspotential auslösen. Die absolute Refraktärität endet, wenn sich genügend Natriumkanäle von ihrem inaktiven Zustand erholen.
Die relative Refraktärzeit beschreibt einen Zeitraum nach der absoluten Refraktärzeit, in der die Erzeugung eines neuen Aktionspotentials möglich ist, allerdings nur durch einen stark überschwelligen Reiz. Aktionspotentiale während der relativen Refraktärzeit zeigen außerdem eine kleinere Amplitude als Neurone außerhalb der Refraktärzeit. Dieser Zeitraum überschneidet sich mit dem letzten Drittel der Repolarisation und der Hyperpolarisation und dauert ebenfalls etwa 1-2 ms.
Erregungsleitung
Ein Aktionspotential wird im Soma (Nervenzellkörper) des Neurons erzeugt und über das Axon weitergeleitet. Durch die Ausbreitung wird die Amplitude und Stärke des Aktionspotentials in keiner Weise verringert oder beeinträchtigt, sodass das Zielgewebe denselben Impuls erhält, unabhängig davon, wie weit es vom Soma entfernt liegt.
Aktionspotentiale entstehen an einer Stelle der Zellmembran und breiten sich entlang der Membran aus, wobei jeder nächste Teil der Membran nacheinander depolarisiert. Das bedeutet, dass sich das Aktionspotential nicht bewegt, sondern immer ein neues Aktionspotential im benachbarten Segment der neuronalen Membran auslöst. Die Refraktärzeit sorgt dabei, dass die Ausbreitung des Reizes immer nur in eine Richtung erfolgen kann, vom Nervenzellkörper über das Axon bis zum Zielgewebe.
Die Ausbreitungsgeschwindigkeit hängt weitgehend von der Dicke des Axons ab und davon, ob es myelinisiert ist oder nicht. Je größer der Durchmesser des Axons, desto schneller ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit. Die Weiterleitung ist auch schneller, wenn ein Axon myelinisiert ist, was als markhaltige Nervenfaser beschrieben wird. Die Myelinscheide umgibt das Axon wie Kunststoff, das ein Stromkabel isoliert und erlaubt somit eine sehr schnelle Erregungsleitung von einem Ranvier-Schnürring zum nächsten. An jedem Ranvier-Schnürring fehlt die Isolation durch Myelinscheiden und somit kann dort ein Aktionspotential entstehen, welches zum nächsten Ranvier-Schnürring springt. Diese Art der Reizweiterleitung wird saltatorische Erregungsleitung genannt.
In nicht-myelinisierten Fasern (marklose Nervenfasern) muss jeder Teil der Axonmembran depolarisiert werden, was die Ausbreitung erheblich verlangsamt.
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Synapsen
Synapsen sind Verbindungsstellen zwischen zwei Nervenzellen oder Nervenzellen und ihrem Zielgewebe. Nach Art der Erregungsübertragung werden elektrische und chemische Synapsen unterschieden.
Chemische Synapsen leiten den Nervenimpuls durch chemische Substanzen weiter, die Neurotransmitter genannt werden. Wenn ein Neurotransmitter die Zielzelle zu einer Aktion anregt, handelt es sich um einen exzitatorischen (erregenden) Neurotransmitter. Hemmt er dagegen die Zielzelle, handelt es sich um einen inhibitorischen Neurotransmitter.
Elektrische Synapsen (Gap Junctions) hingegen leiten den Nervenimpuls durch Ionenkanäle weiter, die von zwei sehr eng zusammenliegenden Zellen gebildet werden.
Jede Synapse besteht aus:
-
Einer präsynaptischen Membran, von welcher das Signal ausgeht.
- Einer postsynaptischen Membran, die das Signal empfängt.
- Einem synaptischer Spalt, die den Raum zwischen der präsynaptischen und postsynaptischen Membran bildet.
In der Axonterminale (Endknöpfchen, Bouton) werden zahlreiche Vesikel produziert und gespeichert, die Neurotransmitter enthalten. Wenn die präsynaptische Membran durch ein Aktionspotential depolarisiert wird, öffnen sich spannungsgesteuerte Calciumkanäle und es kommt zu einem Calciumeinstrom. Dies bewirkt eine Konformationsänderung bestimmter Membranproteine in der präsynaptischen Membran und führt zur Exozytose der Neurotransmitter in den synaptischen Spalt.
Die postsynaptische Membran enthält Rezeptoren für diese Neurotransmitter. Sobald Neurotransmitter an die Rezeptoren binden, werden ligandengesteuerte Kanäle der postsynaptischen Membran entweder geöffnet oder geschlossen. Diese ligandengesteuerten Kanäle sind Ionenkanäle und ihr Öffnen oder Schließen führt zu einer Umverteilung von Ionen in der postsynaptischen Zelle. Je nachdem, ob der Neurotransmitter erregend oder hemmend ist, führt dies zu unterschiedlichen Reaktionen.
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Klinik
Multiple Sklerose
Als axonale Demyelinisierung bezeichnet man den Verlust oder die Beschädigung der Myelinscheide, die die Nervenfasern umgibt, aufgrund von genetischen Faktoren, verschiedenen Krankheitserregern oder Autoimmunerkrankungen, wodurch die Leitfähigkeit des Neurons gestört wird. Dies kann zu einer Vielzahl von Krankheiten führen, darunter Multiple Sklerose und das Guillain-Barré-Syndrom. Multiple Sklerose ist eine immunvermittelte Krankheit, bei der eigene Antikörper die Myelinscheide im ZNS angreifen, was zu deren Zerstörung und Vernarbung führt. Multiple Sklerose geht mit einer Vielzahl von Symptomen einher, wie z. B. Doppelsehen, Sehstörungen, Muskelschwäche, Koordinationsproblemen und Empfindungsstörungen. Das Guillain-Barré-Syndrom gilt ebenfalls als eine demyelinisierende Erkrankung, die durch eine Autoimmunreaktion verursacht wird. Es äußert sich durch Sensibilitätsstörungen oder motorische Defizite. Bei einer axonalen Demyelinisierung kann sich die Myelinscheide regenerieren, wenn die zugrunde liegende Ursache behoben wird, wodurch sich die Leitfähigkeit der Nervenzellen wieder verbessern kann.
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